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FRIEDRICH PRELLER.

Zu seinem hundertsten Geburtstage.

Auf der ersten allgemeinen deutschen Kunstausstellung in München 1858, die zugleich einen
Rückblick auf die von Carstens ausgegangene Wiedergeburt der deutschen Kunst gewähren sollte,
zogen unter den Schöpfungen der Gegenwart vor allen zwei die Aufmerksamkeit auf sich: Moritz
von Schwinds Märchen von den sieben Raben und Friedrich Prellers Odyssee-Kartone. Sie wurden
vom Preisgericht ausgezeichnet, und der Großherzog Karl Alexander von Sachsen erwarb die Sieben
Raben, Preller aber erhielt von ihm den Auftrag, die Odyssee-Landschaften in Weimar in einem
dafür zu schaffenden Räume als Wandbilder auszuführen. Beide Künstler, fast genau gleichalterig
und einander befreundet, standen damals auf der Höhe ihres Lebens und ihrer Kunst. Jetzt haben
wir vor wenigen Wochen Schwinds hundertsten Geburtstag begangen, zu Prellers Gedächtnis
steht die gleiche Feier für den 25. April d. J. bevor. Ihm gelten die nachfolgenden Zeilen. Wie
Schwind ist auch er seinen eignen, vorher nicht betretenen Weg gegangen. Lebte jener mit Vorliebe
in der deutschen Märchenwelt, so war Prellers Phantasie vor allem in dem für die deutsche Kultur
nicht minder bedeutsamen Gebiet der griechischen Heldensage heimisch, und mit Recht hat von
seinem Odyssee-Zyklus, der nach seiner ausgesprochenen Absicht »nicht eine Illustration, sondern
selbst wieder ein Gedicht« werden sollte, Wilhelm Lübke geurteilt: wie in Goethes Iphigenie, so
sei auch hier die Antike mit der ganzen Innerlichkeit deutschen Geistes erfaßt. Beide Künstler,
Schwind und Preller, lebten mit Leib und Seele in ihrer Kunst, beiden war sie eine hohe, heilige
Sache, und der Mahnung, die wenige Jahre vor ihrer Geburt Schiller an die Künstler gerichtet
hatte: »Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie!« — dieser .Mahnung sind
sie so treulich gefolgt wie nur irgend einer. Kernhafte, ursprüngliche Menschen, aufrichtig und
keusch in ihrem Wesen und Schaffen, verbanden beide mit feiner Empfindung die Liebe zu
munterem Scherz und zu volkstümlich derber Rede. Beiden galt als Krönung ihrer Arbeit, was
Goethe als die schönste Aufgabe der bildenden Kunst bezeichnet hatte: einen gegebenen Raum mit
einer einheitlichen Folge von Darstellungen zu schmücken. Und den Werken beider eignete in
besonderem Maße das innige Zusammenstimmen der landschaftlichen Umgebung mit den sich
darin bewegenden Menschen und ihrem Tun und Leiden.

In Eisenach geboren, war Friedrich Preller schon in frühester Kindheit mit seinen Eltern nach
Weimar übersiedelt, das, »wie Bethlehem klein und groß«, das Gepräge seines geistigen Lebens
und zu einem guten Teil auch sein Außeres — man denke nur an den das Städtchen von zwei
Seiten umschließenden Park von Goethe empfangen hatte. Die Neigung zur Kunst und die
Liebe zur Natur, die ihm bis ans Lebensende die höchste Lehrmeisterin blieb, verdankte Preller
dem eignen Vater. An der Hofkonditorei angestellt, hatte dieser für das Geschäft Formen in Holz

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