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Gewitterwolken in all ihrer hinreißenden Urgewalt. Die außerordentlich farbige, dramatische
Wirkung besonders des ersten Blattes erklärt sich aus der feinsinnigen Anwendung der ver-
schiedenen Manieren. Während die Felspartie als Vernis-mou behandelt ist, wurde der Ton des
Wassers durch Aquatinta-Technik und das tiefe Schwarz der Wolken mit Hilfe der Roulette
erzielt. Die Puristen der Radierkunst mögen über eine derartige Stilvermischung die Köpfe
schütteln; wer aber mehr nach dem künstlerischen Erfolge, als nach den technischen Mitteln
fragt, wird dem kühnen Vorgehen des Künstlers, der aus der Mannigfaltigkeit eine so harmonische
und stimmungsgewaltige Bildeinheit zu schmieden wußte, ohne Zögern den Tribut seiner Bewun-
derung zollen.

Es liegt nicht im Sinne dieser Zeilen, das Werk des Künstlers, der jetzt auf eine siebenjährige
Tätigkeit in seinem Fache zurückblicken darf, vollständig aufzuzählen. Seine jüngste Arbeit
»Zwei polnische Juden« (1903) bezeichnet in der sicheren Beherrschung des großen Formates,
in der Ausgeglichenheit und dem farbigen Reichtum der Töne und der einfachen und doch
delikaten Durchbildung des Zeichnerischen wenigstens technisch einen Höhepunkt seines Könnens.
Daß Georg Jahn, jetzt im Vollbesitz aller äußeren Mittel und Kräfte, immer mehr auch zu einer
inneren Vertiefung seiner Kunst gelangen wird, das anzunehmen gibt uns der Überblick über
seine bisherige Entwicklung ein volles Recht. Nicht als einer, der auf niegekannten Pfaden uns zu
neuen Reichen der Anschauung führt, nicht als ein Gewappneter, der die Tradition zerschmettert,
um auf ihren Trümmern den Kampf mit der Zukunft aufzunehmen — aber als ein rüstiger und
fester Wahrheitkünder und Schönheitsucher von deutschem Fleiß und deutscher Ehrlichkeit des
Strebens schreitet er den Marmorstufen zum Ehrensitz der Meister seiner Kunst entgegen.

Erich Haenel.

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