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Dürers tapfer stand, sogar mehr als einmal, und war schön — wenigstens für den damaligen
Geschmack. »Dy schon Jun(g)fr(aw) zw Antorf(f)... 1521«, so steht es oben rechts in der Ecke
des Blattes. Diese schöne Jungfer hatte es Dürern und seinen Freunden in Antwerpen augenscheinlich
angetan, denn im Frühjahr 1521, zwischen dem 11. Februar und dem 16. März, vermerkt er in
seinem Tagebuch: »Ich hab dem Gerhart noch zwier mit dem Steft die schön Jungfrau conterfet«.
(Lange und Fuhse, S. 151. 16.) Gleich zweimal! Nach Analogie anderer Fälle darf man vermuten,
daß Dürer die schöne Jungfer einmal mit dem Silberstift in seinem Büchlein skizziert habe, ehe er
die beiden bestellten Bildnisse, vermutlich mit der Kohle, entwarf. Die zweimal neben dem Haupt
erscheinende Zahl 18 möchte man nicht etwa für die Altersangabe der Dargestellten, sondern, da
sie augenscheinlich eine spätere Zutat von fremder Hand ist, eher für eine Paginierung halten.

Die Zeichnung auf der Rückseite läßt sich ebenfalls ziemlich genau datieren. Wir sehen da
die weitläufig verteilten Massen eines unvollendeten Kirchenbaues, Strebepfeiler und Bogen, die
einem Gewirr von niedrigen Mauern und Häusern entsteigen; darüber, zwar undeutlich, aber doch
immer noch leserlich: »Dz ist der new kor zw Pergen«, in moderner Sprache: der damals im Bau
begriffene fünfschiffige Chor der groote Kerk zu Bergen op Zoom, wo Dürer vor und nach jener
Seefahrt sich einige Tage, vom 3. bis 7. und vom 10. bis 14. Dezember 1520, aufhielt.1

Das Blatt bietet den erwünschten Anlaß, auch der übrigen Teile des berühmten Skizzenbuches
zu gedenken, die weithin verstreut auf uns gekommen sind. Sie lehren es uns, daß Dürer dieses
Büchlein weniger am Ort eines dauernden Aufenthaltes als gerade auf seinen Wanderfahrten
benutzte, wozu es sich ebensowohl nach seinem handlichen Format wie nach der zeichnerischen
Technik, für die es eingerichtet war, bequemte. Es war augenscheinlich ein Taschenbuch, mit
seinem harten Metallstift jederzeit gebrauchsfertig, ohne die Umstände, die bei Feder und Kohle
unvermeidlich sind. Das Format werden wir mit 135 : 195 Millimeter annähernd richtig bezeichnen,
da das größte der ihm entstammenden Blätter (Lippmann 337/38) 133:194 Millimeter mißt. Mit
dem neuen Ankömmling sind uns 13 Blätter des Skizzenbuches bekannt geworden, auf denen sich
die Zeichnungen in annähernd bestimmbarer Zeitfolge also ordnen lassen:2

1. Aachen. 7. bis 26. Oktober 1520. Paulus Topler und Martin Pfintzing. (Lippmann439,Conway 764.)

2. Ebenda. Ein Jagdhund »zw ach gemacht«. (Lippmann 286, Conway 765.)

3. Ebenda? Die auf der anderen Seite des Blattes befindlichen weiblichen Kostümstudien brauchen
natürlich nicht in Aachen entstanden zu sein. Conway weist mit Recht darauf hin, daß die
Kostümstudie rechts das Vorbild der »Türgin« sei, der Federzeichnung in der Ambrosiana,
die von der Dürer Society, 1905 XI veröffentlicht wurde. (Lippmann 285, Conway 766.)

4. Ebenda. Caspar Sturm und das Aachener Rathaus. (Lippmann 339/40, Conway 767.)

5. Ebenda. Das Münster zu Aachen. (Lippmann 404, Conway 768.)

6. Ebenda? Ein prachtvoll gezäumtes Pferd, daneben der Kopf eines zweiten anders gezäumten
Pferdes. Der Umstand, daß Dürer Muße hatte, die Paradepferde, während sie ihres Reiters
harrten, zu zeichnen, legt die Vermutung nahe, daß er die Skizzen bei den Krönungsfeierlich-
keiten Karls V. zu Aachen aufgenommen habe. (Lippmann 147, Conway 775.)

7. Die flüchtigen Skizzen nach Fliesenmustern und nach einem Schoßhündchen auf der Rück-
seite dieses Blattes lassen sich nicht genau datieren. (Lippmann 148.)

1 Den Hinweis auf den Kirchenbau verdanke ich der freundlichen Mitteilung von E. W. Moes.

2 Vgl. Sir Martin Conway, »The art of Albrecht Dürer«. Catalogue of an Exhibition in the Walker Art Gallery, Liverpool, 16 April to
11 June 1910. Das anspruchslose Hcl'tchen enthält die Resultate langjähriger ernster Studien und wird als ein unentbehrliches Hilfsmittel der
weiteren Dürer-Forschung angesehen werden müssen. Mit einigen Ausnahmen folge ich oben der Anordnung Conways.

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