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DÜRERS GEMÄLDE
DES HEILIGEN HIERONYMUS.

Über keine Epoche in Dürers Schaffen sind wir so wohl unterrichtet wie über die Zeit seines
Aufenthaltes in den Niederlanden, der nur einige Tage weniger als ein Jahr gedauert hat. Was er
hier gezeichnet und gemalt hat, finden wir fast alles in dem Tagebuch, das er zu dieser Zeit
führte, aufs genaueste verzeichnet. Wenn man bedenkt, wie sehr der große Künstler während seines
Aufenthaltes in den Niederlanden durch Reisen, Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten, Fest-
mähler, Einladungen, Besuche, durch seinen Verkehr mit Künstlern, Musikern, Gelehrten und
reichen Kauf leuten in Anspruch genommen wurde, so muß uns die Menge künstlerischer Arbeit
ganz erstaunlich erscheinen. Mehr als hundert Bildnisse hat er hier gezeichnet, von denen etwa die
Hälfte große, ausgeführte Kohlenzeichnungen waren. Daneben fand er Zeit zu allerlei Gelegen-
heitsarbeiten: für Margarete von Österreich entwarf er zwei historische Kompositionen auf Per-
gament, für den Leibarzt dieser Fürstin einen Bauriß zu einem Hause, das dieser erbauen wollte,
für die Gilde der Goldschmiede Skizzen zu weiblichem Kopfschmuck, für die der Maler eine Zeich-
nung mit unbekanntem Zweck, für die Kaufleutezunft einen sitzenden heiligen Nikolaus, für den
reichen genuesischen Kaufmann Tommaso Bombelli Karnevalsmasken, eine Fassadendekoration
und drei Degengriffe, für die Augsburger Bankierfamilie der Fugger ebenfalls Fastnachtsmasken,
für den Maler Joachim de Patinier, offenbar zur Staffage seiner Landschaften, einige Gestalten
des heiligen Christoph; endlich zeichnete er das Wappen der österreichischen Adeligen Wilhelm
und Wolf von Rogendorff und das des Nürnbergers und Organisten in kaiserlichen Diensten
Lorenz Staiber auf den Holzstock.

Aber auch die Summe von Dürers malerischer Tätigkeit während seines Aufenthalts in den
Niederlanden darf man nicht zu gering anschlagen. Verschiedene Stellen des Tagebuches beweisen,
daß er sich auch mit diesem Kunstzweige eifrig beschäftigt hat. Bald nach seiner Ankunft in Ant-
werpen hat ihm der schon erwähnte Landschaftsmaler Patinier Farben und seinen Knecht zum
Farbenreiben geliehen, und am Ende seines Aufenthaltes in den Niederlanden erwies ihm ein
Brüsseler Maler, wahrscheinlich der Hofmaler Margaretens von Österreich Bernaert van Orley, den-
selben Dienst, als er das Porträt des Königs von Dänemark malen sollte. Auch in der Zwischenzeit
hat er wiederholt Farben gekauft, so auf Empfehlung des Kupferstechers und Glasmalers Direk
Vellert eine rote Farbe, die man in Antwerpen aus Ziegelsteinen gewann. Ein anderes Mal bezahlt
er eine Unze guter Ultramarinfarbe mit Kunstblättern seiner Hand von dem hohen Werte von
zwölf Gulden. In seinem Tagebuch verzeichnet er verschiedene kleinere Gemälde, die er teils in
Öl, teils in Leimfarben auf Leinwand, einer Technik, die er selbst mit dem Ausdruck »gemaltes
Tüchlein« bezeichnet, gemalt hat; sie dienten ihm meist zu Geschenken an Gönner und Freunde.
Wir hören von einem Marienbild, einem toten liegenden Christus, einer heiligen Dreifaltigkeit, einem
Kindsköpflein, das er zweimal, und einem Veronikatuch, das er viermal gemalt hat. Von diesen
kleinen Bildern hat sich leider nichts mehr erhalten. Dagegen sind wir so glücklich, das wichtigste

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