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Santa Conservazione schaffen wollte, die neben den ähnlichen Schöpfungen der Venezianer, vor
allem Giovanni Bellinis, bestehen sollte, und darüber froh war, als das allgemeine Urteil höchst
günstig lautete, so hat er in dem Bilde des heiligen Hieronymus versucht, es seinen niederländischen
Kollegen, die er in seiner Bescheidenheit sehr hoch schätzte, gleichzutun. Auch hier blieb der Erfolg
nicht aus. Wenn es uns auch darüber an schriftlichen Zeugnissen fehlt, so vermögen wir doch
diesen Erfolg zu ermessen an einer ganzen Reihe von niederländischen Gemälden des sechzehnten
Jahrhunderts, die mit Benützung der Dürerschen Komposition geschaffen worden sind. Ja manche
darunter können, nach ihrem Stile zu urteilen, der in die Nähe des Antwerpner Meisters des
Todes Maria weist, nur wenige Jahre nach der Entstehung des Originals gemalt worden sein.
Es gibt kaum eine andere Komposition, die in dieser Schule so häufig wiederkehrt. Obwohl das
(»riginal in Antwerpen blieb und von dort aus gleich nach Portugal gelangt sein dürfte, kommt
dieselbe Komposition auch in deutschen Nachbildungen des sechzehnten Jahrhunderts vor.
Wahrscheinlich hat Dürer selbst eine Nachbildung des Gemäldes mit nach Nürnberg genommen;
in dem Verzeichnis der Kunstschätze des Nürnbergers Willibald Imhof des Alteren aus den
Jahren 1573 und 1574 kommt ein kleines auf Pergament gemaltes Bild des heiligen Hieronymus
von Dürer vor.

Die hohe Schätzung des Dürerschen Gemäldes vermögen wir auch heute zu begreifen: durch
die einfache und doch wirkungsvolle Komposition, die wunderbare Durchbildung der Formen,
den außerordentlich lebendigen Ausdruck des Greisenkopfes gehört es zu den vollendetsten
Schöpfungen des großen Meisters. Es gibt nur ein Werk aus derselben Zeit, das diesem Bilde
gleichkommt, ja es in mancher Hinsicht noch übertrifft: wir meinen das unglaublich lebensvolle
männliche Bildnis des Prado zu Madrid, das ohne ausreichenden Grund als ein erst nach Dürers
Rückkehr geschaffenes Porträt des Nürnberger Patriziers Hans Imhof des Älteren bezeichnet
worden ist. Dieses Werk, das ebenfalls die Jahreszahl 1521 trägt, hat nun mit dem heiligen
Hieronymus die größte Verwandtschaft. Wer mag der Dargestellte sein? In seinem Tagebuch
erwähnt Dürer nur wenige in Öl gemalte Bildnisse. Die beiden »Herzogangesichter« nehmen wir
aus, weil es nicht klar ist, ob hier Bildnisse nach dem Leben gemeint sind. Die übrigen Porträte
sind die des niederländischen Malers Bernaert van Orley, des Rentmeisters von Brabant Lorenz
Sterck, des Wirtes Dürers in Antwerpen, Jobst Planckfeit, und seiner Frau, und endlich des
Königs von Dänemark, Christian II. Da uns das Bildnis Orleys in der Dresdner Galerie erhalten
ist und die Züge Jobst Planckfelts und Christians II. bekannt sind, so dürfte wohl der Dargestellte
des Madrider Bildes kein anderer sein als jener Rentmeister Sterck, der zu Dürers freundlichsten
Gönnern gehörte, ihm viele Geschenke machte, ihn mehrmals zu Tische lud, und ihm endlich für
das nach Dürers eigener Angabe »gar rein fleißig« ausgeführte Porträt zwanzig Gulden schenkte.
Diese Vermutung, die gelegentlich schon ohne nähere Begründung von Lionel Cust ausgesprochen
worden ist, gewinnt an innerer Wahrscheinlichkeit, wenn wir bedenken, daß Dürer an dem Bild-
nisse des Rentmeisters zur gleichen Zeit gearbeitet haben muß wie an dem heiligen Hieronymus;
nur zwei Monate nach der Vollendung dieses Bildes meldet uns Dürers Tagebuch, im Mai 1521,
die Fertigstellung des Porträts, zu dem Dürer schon im März, noch vor der Vollendung des
Hieronymus. einen Rahmen im Umtausche gegen den »alten« — offenbar verworfenen — Rahmen
zum Bilde des Hieronymus und gegen eine kleine Aufzahlung anschafft. So scheint uns ein
besonderes Band die beiden schönsten Ölgemälde zu verknüpfen, die uns aus der Zeit von Dürers
Aufenthalt in den Niederlanden erhalten geblieben sind.

Gustav Glück.

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