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das Musikalische und das träumerisch Zarte, andrerseits die frische Buntheit seines Kolorits, wohl
auch der gewisse etwas weichliche Zug seiner künstlerischen Physiognomie. (An den slawischen
Einschlag vom Vater her sei hier nochmals erinnert.) Seiner Zeit gehört das Streben nach einem
großen dekorativen Stil, aber auch das Eklektische, das Archaistische, das von den Nerven
Kommende und zu den Nerven Sprechende seiner Kunst an. Unzweifelhaft haben Gegenwart und
Vaterstadt an Klimts Erotik Anteil, so sehr diese auch individuell begründet sein mag. Oder sollte
es Zufall sein, daß Klimt zur selben Zeit und an demselben Ort wirkt wie die Dichter Hofmanns-
thal und Schnitzler und Altenberg und Bartsch, die trotz aller sonstigen Verschiedenheit dennoch
in [der Wahl und Behandlung erotischer Themen einander begegnen, — wie Freud und Weininger,
die sogar von ihren wissenschaftlichen Standpunkten aus die Sexualität zum Hauptfaktor von
Tun und Lassen, Denken und Fühlen des Individuums erheben ?

Klimt ist aus der Makart-Zeit hervorgewachsen. Obwohl auch schon bei seinen Jugendarbeiten
das dekorative Moment das historische überwiegt, so ist er doch ein Abkömmling jener realistischen
Historienmalerei, die mit Gallait anhebt, mit Piloty einen neuen Aufschwung nimmt und in Makart
gipfelt. Makart war natürlich der erste große künstlerische Eindruck in Klimts Leben. Es ist viel-
leicht mehr als eine müßige Spielerei, hier zum Schlüsse die gemeinsamen Eigenschaften der
beiden größten Malgenies zu überblicken, die die letzten zwei Generationen in Wien erlebt
haben. Beide sind Entdecker neuer Farbenwunder, auf den Werken beider spielt das nackte
Weib eine Hauptrolle, beide sind ausgesprochen dekorative Begabungen, beide nehmen ihre
Motive nicht aus dem sie umgebenden Alltag, sondern aus einer idealen Welt, die ihnen die
Kunst der Vergangenheit und anderer Völker aufbauen hilft, beide beleben — ein untergeordneter,
aber bezeichnender gemeinsamer Zug — das weibliche Bildnis durch Zutaten aus ihrer Phantasie-
welt, der eine durch alte Kostüme, der andere durch Ornamente, beide sind unermüdliche Arbeiter,
die in ihrer Malerei aufgehen und denen nichts ferner liegt, als sich vorzudrängen, beide sind ihrem
Charakter nach typische Österreicher.

Möge zu den vielen auf der Hand liegenden Unterschieden, die Klimt und Makart auseinander-
halten, noch der hinzukommen, daß es Klimt, der diesen Sommer fünfzig Jahre alt wird, im
Gegensatz zu Makart von einem gnädigen Schicksal vergönnt werde, während einer tizianischen
Lebensdauer all das, was er in sich trägt, voll zur Entfaltung zu bringen.

Arpad Weixlgärtner.

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