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Henri Le Sidaner habe ich die
Museen besichtigt, Smetanas
Libussa und die alten Volkslieder
gehört und den Aufschwung des
modernen tschechischen Kunst-
gewerbes bewundert, endlich
auch, angereizt durch einen
Besuch der Modernen Galerie,
eine Wanderung durch die Werk-
stätten der Bildhauer und Maler
unternommen. Die zwei auf diese
Art in Prag verlebten Wochen
werden nie aus meinem Gedächt-
nis entschwinden.

Der Name Max Svabinskys
war mir, als ich nach Prag kam,
nicht mehr unbekannt; in Kunst-
zeitschriften hatte ich ihn unter
den Abbildungen von Gemälden
und Radierungen vielverheißend
zu lesen bekommen. Gleich bei
meiner Ankunft fragte ich nach
ihm und einstimmig antworteten
mir alle Maler: »Das ist der Erste
unter uns«. Im Kinskyschen
Garten bin ich dann ihm selbst begegnet. Ein feiner, beweglicher junger Mann mit ausdrucks-
vollem, durchdringendem Blick, darin Spott und Träumerei sich seltsam mischen, einem gebräunten
kantigen Gesicht, mit dichtem Haar und lockerem Vollbart; etwas Katzenartiges, Unruhiges,
Nervöses im ganzen Wesen; er selber gleichsam eine fleischgewordene Radierung: so wenigstens
steht er jetzt vor meinem geistigen Auge, denn ich habe leider weder ihn noch Prag seitdem
wiedergesehen. Eine Unterredung, während unser Künstlerkreis unter den blühenden Bäumen
ein Mahl einnahm, das Abendrot erlosch und plötzlich die Lichter der herrlichen Stadt zu unseren
Füßen aufflammten, und ein Besuch in seiner hellen, mit Arbeiten vollgepfropften Werkstatt haben
hingereicht, mich mit Liebe und Verehrung für den feinfühligen und bedeutenden Künstler zu
erfüllen.

Eine Folge radierter Bildnisse, deren Zahl bereits beträchtlich ist, dann Blätter in einer aus
Aquarell und Federzeichnung gemischten Technik, Landschaftsstudien in Kohle oder Pastell,
endlich einige phantastische Radierungen und Leinwanden von absonderlich wilden Farben: darin
besteht derzeit das Werk Svabinskys.

Das Hauptmerkmal dieses Werkes ist die Vereinigung von Kraft und Scharfsinn; eine
ungewöhnlich hartnäckige Neu- und Wißbegierde zeichnet unseren Künstler aus. Die Wißbegierde
Svabinskys einem menschlichen Antlitz gegenüber ist nicht die gewöhnliche eines Malers, der nur
die Ton- und Farbenwerte aufmerksam beobachtet und dann wiederzugeben sucht und der dabei
hofft, daß das Problem der Ähnlichkeit sich von selbst löse durch die Nachahmung, die Wahl der

Getuschte Federzeichnung.

CS
 
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