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Fortsetzung und künstlerische Erfüllung der vaterlichen Existenz empfand, darüber stehen in den
römischen Briefen an die Stiefmutter ergreifende Zeugnisse.

Als dann der junge Feuerbach sein Vaterhaus verließ, um die Düsseldorfer Akademie zu beziehen,
da zogen Raffael und Michelangelo mit ihm an den Niederrhein, wie er selbst erzählt, und verhüteten,
daß die akademische Schablonenkomposition Schadows und Lessings Macht über ihn gewann.

Und ein paar Jahre später, in München, ist es wieder nicht die Kunst der Lebenden, nicht
Kaulbach und nicht Cornelius, deren Einfluß er anheimfallt, sondern die herrliche Rubens-Serie
der alten Pinakothek. Vor Rubens erwacht seine Vorliebe für die Darstellung des nackten Kindes,
der wir die entzückenden Kinderschilderungen späterer römischer Jahre verdanken. Die »Kinder
mit dem Fruchtekranz« von Rubens möchte er am liebsten gleich kopieren, und von ihnen
angeregt, malt er einen bocksfüßigen kleinen Pan, den Amoretten in den Olymp entführen.

Von München gehts nach Antwerpen, wo sich Feuerbach mit Leidenschaft auf das handwerks-
mäßige Malenlernen wirft, und von hier nach Paris.

Hier ereignet es sich zum erstenmal, daß die Kunst eines Zeitgenossen ihn völlig in Bande
schlägt. Aber es ist charakteristisch genug, daß es nicht die Bringer des Neuen waren, weder
Dclacroix noch Courbet noch Rousseau, zu denen er in die Lehre geht, sondern der klassizistische
Couture, der ein Jahr vor der Revolution mit seinen »Römern der Verfallzeit« einen ungeheuren
Erfolg errungen hatte. (Die Erinnerung an dieses Bild ist Feuerbach jahrzehntelang nicht los
geworden, immer sehwebte ihm der Gedanke vor, etwas Ahnliches zu schaffen, und als er sich, aus
der Not der ersten römischen Jahre durch den Grafen Schack befreit, wieder etwas rühren konnte,
ging er sofort an die Erfüllung der alten Lieblingswünsche, ein großes Gastmahl des Plato und
eine Amazonenschlacht malen zu dürfen.)

Er geht also zu Couture Akt malen und gelangt auf dem Umweg über Couture zu dem von
diesem besonders hochgestellten Paolo Veronese, den er kopiert und der für sein zweites größeres
Bild entscheidend wird.

Schon vor der engeren Bekanntschaft mit Couture ist der »Hans in der Schenke« entstanden,
der vor allem in dem liegenden weiblichen Rückenakt völlig französisches Empfinden verrät.
(Man denke etwa an Geröme.) Das Orientalisierende des Sujets war damals auf der Tagesordnung
in Paris, die Kühnheit der breiten pastosen Behandlung und die Glut der farbigen Empfindung, in
die das Bild getaucht ist. hatte Feuerbach von Delacroix. Wie das Ganze als eine Vorahnung des
stilleren und edleren Hafisbildes in der Schackschen Galerie wirkt, so kehren einzelne Bild-Elemente
in der Kunst Feuerbachs wieder: die sitzende kleine Nubierin im zweiten Hafls, der weibliche
Rückenhalbakt in der einen Okeanide im Wiener Prometheus-Bild. Wichtig ist, daß der Künstler
durch einen ganz bestimmten Natureindruck zu dieser Komposition angeregt wurde: durch den
Anblick einer besonnten, mit Weinlaub umrankten Mauer.

Noch völlig unter pariserischen Einflüssen steht das wenig später in Karlsruhe vollendete
Bild mit dem Tod des Pietro Aretino. Couture, der zu seiner »grande peinture« vom Studium der
Venezianer im Louvre gekommen war, hatte die kühlen Silbertöne des Paolo Veronese wieder zu
Ehren gebracht, und wie ein Seitenausschnitt aus einer »Cena« des großen Venezianers wirkt
auch dieses Bild. Architektur, Kostüme, ja Einzelheiten der Bewegung (zum Beispiel der vor-
beugenden Frau) sind ganz und gar veronesisch empfunden, nur die Dramatik der Komposition,
die in leidenschaftlichen Diagonalen das Bild durchquert, ist völlig sein Eigentum.

Zu dieser jugendlichen Dramatik hat er später, auf der Höhe seines Lebens, als er sie in der
»Amazonenschlacht« und im >Titanensturz« wieder suchte, nicht mehr zurückgefunden, wie

SS
 
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