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Das Dominierende ist hier die geometrische Anordnung. Das ganze Blatt wird durch begrenzende
klare Flächen eingerahmt. Oben und unten scharf horizontale Linien, die parallel zum Rand laufen,
rechts der senkrecht fallende Flachs. Hatte dort die Abstufung der Farbenvaleurs den Eindruck der
Tiefenräumlichkeit zu erwecken, so ist hier fast ganz darauf verzichtet. Die Linien des Teppichs,
des Tisches, der Spindel, des aufgerollten Papiers und der Mappe am Tisch haben die Funktion
bekommen, den Beschauer in den Raum hineinzuleiten. Und hat es dort die verschiedensten
Riehtungen gegeben — das ganze Motiv ist über Eck gesehen, die Wände stoßen im Winkel auf-
einander, dazu als neue Richtung der Stuhl, wiederum als neue die Gitarre usw. —, so herrscht
hier eine fast völlige Beschränkung auf die zum Augpunkt laufenden auf die Bildebene Senkrechten
und die zu dieser Parallelen: den Tisch, das Rad, den Webstuhl, die Abschlußwand; ja sogar die
Figur wird in diesen Rhythmus hineingezogen, auf senkrecht und parallel gestellt.

Der erste Eindruck also, als ob das frühe Blatt »komponiert«, das späte dagegen ein photographi-
scher Naturausschnitt wäre, ist völlig'unrichtig. Im Gegenteil: Das frühere Blatt ist ein bloßer Natur-
ausschnitt, eine typisch impressionistische »Nature morte«, das spätere dagegen ist so bewußt kompo-
niert, daß darin jedes einzelne Stückchen so und nur so sein kann, wie es der Künstler hingestellt hat.

Ein ebenso großer Unterschied zeigt sich auch, wenn wir Einzelheiten vergleichen, etwa die
Darstellung der Blumen auf beiden Blättern. Auf dem früheren ist sie malerisch weich, auf dem
späteren Blatt zeichnerisch hart. Dasselbe gilt überall. Man betrachte etwa den Fuß des Blumen-
gestelles mit dem Spinnrad oder man beobachte, wie sieh ein ähnliches »Einrandeln« wie auf dem
späteren Blatt auf dem früheren nirgends findet.

Endlich die Farbe: Das frühere Blatt zeigt dunkle schwere Töne, eine Unzahl von farbigen
Valeurs. In dem späteren ganz lichte Farben und eine auffallende Reduktion auf wenige stark
sprechende Lokaltüne.

Faßt man die Unterschiede der beiden Blätter zusammen, so kann man sagen: Das frühe Blatt
ist die Darstellung eines zufälligen Naturausschnitts mit besonderer Hervorhebung der Farben- und
Lichtprobleme, das späte eine auf den Prinzipien des monumentalen Wandgemäldes aufgebaute
Komposition, die sich wie dieses fast ganz auf die linearen Mittel beschränkt und in der lichten
Farbe des Freskos gemalt ist.

Damit haben wir den großen Zug bestimmt, den die Entwicklung von Larssons Kunst
genommen hat. Ausgehend von dem französischen Impressionismus, kommt er, wie Kruse sehr richtig
betont hat, unter dem Einfluß Japans und der heimischen Bauernkunst zu einem ganz neuen
dekorativen Stil. Dieser dekorative Stil ist schon in den neunziger Jahren auf einem Höhepunkt
angelangt.

Um nun zu erkennen, welche Stelle in dieser Entwicklung das neue Buch einnimmt, ver-
gleiche man etwa das Blatt »Die Werkstatt« mit einem Blatt aus »Larssons«, das den entwickelten
dekorativen Stil der neunziger Jahre zeigt, mit der »Gratulation« (1899). Gewiß, die beiden Blätter
stehen sich unvergleichlich näher als die »Werkstatt« und die »Spielzeugecke«. Allein die Unter-
schiede sind doch auch eklatant. Gewiß, auch dort das Vermeiden von gehäuften Richtungskontrasten
und die Vorliebe für einfache stark betonte Tiefenlinien. Auch dort die Vorliebe für die lichte Farbe,
auch dort ein Spiel mit dekorativen Linien — allein der gewaltige Unterschied zeigt sich sofort,
wenn man zwei einzelne Gegenstände miteinander vergleicht.1 Man nehme etwa den grünen Tisch
hier und das Bett dort. Es ist ganz klar, eine solche Behandlung der Fläche, wie sie uns in dem

' Besonders instruktiv ist der Vergleich des Bildes »Gratulation« mit dem Bilde *Des Hauses guter Engel-, auf dem derselbe R.111111
dargestellt ist. Man vergleiche die in dem einen Falle zeichnerische, in dem andern Falle malerische Behandlung der Decke.

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