Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ZU MENZELS HUNDERTSTEM GEBURTSTAGE

(8. DEZEMBER 1915).

Von Tizian hat Cornelius, die Unverwüstlich-
keit dieserNatur bestaunend, einmal gesagt: die
Pest mußte kommen, ihn wegzuraffen, sonst lebte
der Mann heute noch. Wen würde es gar so sehr
verblüffen, dem hundertjährigen Menzel leibhaft
zu begegnen, vielleicht noch ein wenig mehr ver-
steint und gnomenhaft, aber doch »auf stillem
Tiergartenpfade« oder bei Frederich hinter dem
Glase Wein noch immer leidlich bei Wege? Den
Ältesten wie den Jüngsten blieb seineErscheinung
gegenwärtig; unzerstörbar stand er im Fluß der
Zeit wie eine alte Merkwürdigkeit, von der man nur
weiß, daß sie sehr alt ist und daß man sie wieder-
sehen wird. Sind es wirklich schon zehn Jahre,
seit man ihn nicht wiedergesehen?

ZwischenTod und Auferstehungeines großen
Mannes pflegt die Geschichte ein Meer von Stille
zu betten. Es ist nicht die Stille der Vergessenheit,
die über dem Andenken jedes Gestorbenen zu-
sammenschlägt, es ist ein plötzliches Verstummen,
als habe sich die Ruhmredigkeit erschöpft, als
sei das Lob, das so lange und laut erklungen,
ermüdet. In dieser Zeit besteht ein großer Mensch
seine Ewigkeitsprobe; wie lang sie dauert, hängt
von äußeren Umständen ab. Für Menzel haben
wenige Jahre hingereicht. Reiner und vollständiger denn je steht das Bild des Meisters in unserer
Seele. »Erst die Ferne«, heißt es in den »Briefen eines Unbekannten«, »zeichnet Konturen an den
Horizont. Und ist ein solcher Aufriß auch nur eine Silhouette, ein Schattenriß, etwas Zusammen-
geschobenes, das die dazwischenliegende Verbindung aufschluckt, daher unwahr, nicht ,das Ding
an sich', so ist es eben doch das einzige, das als Erscheinung für die Nachwelt bleibt. Insofern
also doch Wahrheit in der Zeit, nachdem es seinerzeit, anders als es dereinst sein wird, Wahr-
heit im Räume war«.

Die Enttäuschungen des Ruhmes, der alt wird, sind Menzel nicht erspart geblieben. So sehr
die hohen höfischen Auszeichnungen seiner gewiß nicht geringen bürgerlichen Eitelkeit — er

Bildnis Adolph Menzek.

aphie.

1
 
Annotationen