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EIN BILDNIS VON REMBRANDTS MUTTER.

Während des Krieges ist ein interessantes kleines Kunstwerk in Wiener Privatbesitz gekommen.
Es handelt sich um nichts Geringeres als um eine vortreffliche und wohl erhaltene Jugendarbeit
Rembrandts, ein Ölgemälde von geringen Maßen, das seine Mutter, Neeltgen Wlllemsdochter van
Zuytbrouck, vorstellt, die ihm und seinen Schülern so oft in dieser frühen Zeit als Modell gedient
hat. Ein preußischer Reserveoffizier hat das Bildchen durch einen Zufall auf dem Kriegsschauplatz,
in Courtrai in Belgien, entdeckt, brachte es nach Berlin und von hier kam es durch den Münchner
Kunsthandel in den Besitz eines der feinsinnigsten unter den jüngeren Sammlern Wiens, des Herrn
Oskar Bondy.

Es ist ein Brustbild der alten Frau in ovaler Form. Die Maße sind nicht größer als die unserer
Wiedergabe. Von einem zarten, hellgrauen Grunde, der für die Jugendwerke des Künstlers
bezeichnend ist, manchen aber überraschen dürfte, dem nur die tiefen Hintergründe der reifen Zeit
des Meisters in Erinnerung geblieben sind, hebt sich in kräftigem Gegensatze, fast silhouettenartig,
die dunkel gekleidete Gestalt ab. Die malerische Behandlung des runzeligen Gesichtes der alten,
zahnlosen Dame, die in leichter Wendung nach links mit trübem Ausdruck zu Boden blickend
dargestellt ist, wird durch viele, trotz dem kleinen Formate breite Pinselstriche bewirkt, die von
dem eifrigsten Studium nach der Natur zeugen und im Verein mit den aufgesetzten flachen, gelb-
lichen Lichtern einen etwas unruhigen, ja fast zerrissenen Eindruck machen. Es fehlt noch das
Geschlossene der späteren Meisterwerke, der junge Künstler setzt noch den Kopf aus Einzelheiten,
gleichsam mosaikartig, zusammen. Viel einheitlicher ist die dunkle Gewandung behandelt, die das
Antlitz der alten Frau umgibt: die schwarze Pelzmütze, von der, an einer Agraffe befestigt, ein
schöner gestickter grauer Schleier herabhängt, und das ebenfalls schwarze, mit Pelz verbrämte
Kleid, das nur ein kleines Stückchen des weißen gekrausten Hemdes hervorgucken läßt. Die farbige
Gesamtwirkung des Bildchens ist kühl, ein silbriger Ton beherrscht das Ganze, wenn man von dem
warmen, hellbräunlichen Tone des Fleisches absieht.

In diesem Bilde scheint uns das eigentliche Original etwa eines halben Dutzends von Wieder-
holungen und Kopien erhalten zu sein, von denen wohl mit Recht das etwas kleinere und recht-
eckige Exemplar des Mauritshuys im Haag, eine Leihgabe Abraham Bredius', als das vorzüglichste
gilt. Schon aus dem Studium dieser Repliken, die zum größten Teil oval sind oder eine gemalte
ovale Umrahmung zeigen, hat Cornelis Hofstede de Groot geschlossen, daß ihnen ein eigen-
händiges Vorbild von ovaler Form zugrunde gelegen haben muß, eine Vermutung, die durch die
Auffindung unseres Bildchens zur Gewißheit geworden zu sein scheint. Denn die Ausführung ist
hier von einer solchen Frische, hat soviel von der Unmittelbarkeit der Naturbeobachtung, daß an
der Eigenhändigkeit unseres Erachtens nicht gezweifelt werden kann. Wie fein ist hier — selbst
im Vergleiche zu dem vortrefflichen Exemplar im Haag — der durch die Zahnlosigkeit verzogene
Mund wiedergegeben, wie reizvoll und leicht das Stoffliche von Pelz, Schleier und Hemd!

Die Reihe von Rembrandts bisher bekannten Bildnissen seiner Mutter beginnt mit der köstlichen
Radierung aus dem Jahre 1628, die die Dargestellte fast in derselben Haltung und Tracht zeigt
wie unser gemaltes Porträt. Es ist einer der frühesten Versuche des Meisters in derKunst der Atzung,
ein Versuch, dem kaum mehr als zwei von den radierten Selbstbildnissen, die den Künstler noch"

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