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Leon Wyczöfkowski, Aus der FoJge »A!t-Warschau«

Nach der Lithographie.

Kräfte erprobte. Aber nicht die Großstadt, nicht die schwüle Atelierluft sollte den Wendepunkt
in Wyczöikowskis künstlerischer Laufbahn herbeiführen. Eine Reise nach der Ukraine, die sich
schließlich zu einem fast zehnjährigen Aufenthalte auf dem Lande ausdehnte, öffnete ihm die neue
Welt, der er von nun an treu bleiben sollte. Alles entzückte ihn auf diesen von weiten Horizonten
begrenzten Ebenen: die Üppigkeit der Feld- und Gartenfrüchte, das tiefsatte Grün der uralten
Eichenwaldungen, die vielen, vielen buntfarbigen Blumen. Und dieser faszinierende Eindruck
wurde noch ganz besonders von den der Ukraine eigentümlichen Lichteffekten vertieft. Der
Künstler war wie gebannt durch die abwechslungsreiche Skala des intensiven Tageslichtes von
einer dem Norden unbekannten Leuchtkraft und ward nicht müde, den ganzen Reichtum der
Farbenakkorde und Lichttöne, die ein ukrainischer Sonnenauf- oder -Untergang erstehen läßt, zu
bewundern. Eines Tages ward in Wyczötkowski der Freilichtmaler geboren, und während im
Westen so manche Künstler bemüht waren, sich die Errungenschaften des französischen
Impressionismus anzueignen, war für ihn die neue Lehre kein Geheimnis mehr. Als die in Paris
entstandenen Werke Alexander Gierymskis, eines der Großen der polnischen Malerei, in den
neunziger Jahren nach Krakau kamen, das Evangelium der Freilichtmalerei verkündend, war
bereits in der Kunst Wyczörkowskis der polnische Impressionismus erstanden. In diesem
Frühlingserwachen seines Schaffens entstanden die vielen zu verschiedenen Tageszeiten im
Freien gemalten, lichtumflossenen, farbenprächtigen Landschaften und Landschaftsstudien, sowie
manche Bildnisse. Die bunte Blumenwelt wurde ihm schließlich zum Lieblingsthema, das er immer
wieder mit dem ganzen Reichtum seiner Palette zu variieren wußte.

Im Jahre 1895 wurde Wyczötkowski als Professor an die k. k. Akademie der bildenden Künste
in Krakau berufen. Die altehrwürdige Krönungsstadt der polnischen Könige mit ihren herrlichen
Kunstdenkmälern gab seiner Phantasie neue Nahrung. Ganz besonders aber zogen ihn die Königs-
gräber in der Domkrypta an, wo die zarten Lichtstrahlen um die in Dunkel gehüllten Grabmonumente

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