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so geheimnisvoll spielten, und oben in der Schatzkammer des Domes ergötzte er sein nach Farben
lechzendes Auge an den alten, mit Juwelen bedeckten Prachtwerken der Goldschmiedekunst und
den herrlichen Erzeugnissen der Nadelmalerci. So entstand die in Pastell ausgeführte Bilderfolge:
»Die Domschatzkammer am Wawel« und die »Königssarkophage«, zu welchen er die Modelle selbst
formte.

In dieser »Krakauer Zeit« Wyczötkowskis, die sich bis zum heutigen Tage hinzieht, entstand
eine ganze Reihe von männlichen Bildnissen, darunter das charaktervolle Porträt des Krakauer
Kunsthistorikers, des Universitätsprofessors MarianSokotowski, und jenes des Professors »Rydygier
mit seinen Assistenten«, das den Besuchern der 1915 im Wiener Künstlerhause veranstalteten
»Polnischen Kunstausstellung« wohl noch in Erinnerung steht. Aber der ukrainische Freilichtmaler
konnte sich selbst nicht verleugnen: er kehrte wieder zur Plein-air-Malerei zurück, der wir die
berühmte Folge der Gebirgslandschaften aus der Hohen Tatra und den östlichen Beskiden verdanken.

Öftere Auslandsreisen führten ihn nach Italien und Deutschland, Frankreich und England,
Belgien, Holland und Spanien, sie übten jedoch keinen wesentlichen Einfluß auf sein künstlerisches
Schaffen. In des Wortes reinster Bedeutung blieb er stets in seiner Kunst »bodenständig«. Der
ukrainische Schwarzboden mit seiner üppigen Pflanzenwelt, die Urwälder Litauens, die Hohe
Tatra und, wie wir weiter noch sehen werden, die Architekturschönheiten Krakaus, die heimatlichen
Menschentypen bildeten eine unerschöpfliche Quelle für seinen frohen Schaffensdrang. Er packt
seine Themen mit dem ganzen Temperament seiner Kraftnatur an, als wollte er »die Kunst aus
der Natur herausreißen«. Die Erfassung des seelischen Innenlebens des Modells liegt abseits seiner
Kunst, mit desto größerer Konzentrierung geht er hingegen auf die Wiedergabe der plastischen
Erscheinung der menschlichen Gestalt, der charakteristischen Gesichtszüge der Porträtierten los.
Und es ist für dieses Bestreben des Künstlers bezeichnend, daß er sich auch in Skulpturarbeiten
auszudrücken versuchte.' Seine Bildnisse entnimmt er fast durchwegs der Männerwelt. Wenn er
Frauen überhaupt malt oder zeichnet, so sind es robuste Bäuerinnen. Diesem temperamentvollen
Sehen steht eine meisterliche Technik zur Verfügung. Die virtuose Zeichnung bildet ein festes
Rückgrat für seine pastose, mit breiten Pinselstrichen arbeitende Malweise. Sieht man sich zum
Beispiel sein »Selbstbildnis mit dem Bildhauer Professor Laszczka« (im Besitze Seiner Exzellenz
K. von Chfedowski in Wien) an, so wird man unwillkürlich an den alten Franz Haisund — wenn
man die Moderne in Vergleich zieht — an das prachtvolle »Selbstbildnis Max Slevogts im Garten«
erinnert. Das soll nicht heißen, daß er sich diese Meister zum Vorbild genommen — den letzteren
kennt er sogar sicher nicht. Es ist nur eine gewisse innere Verwandtschaft der Künstlernaturen,
der Temperamente . . . Seine eigentliche Welt ist aber die Freilichtmalerei. Denn dort findet er im
Überflüsse, wonach sich sein Auge und seine erregbare Phantasie sehnt: Farbe und Licht. Er hat
an Farben, an ihrer Tiefe und Saftigkeit die gesunde, sinnliche Freude jener Menschen, die sich
der modernen Überkultur zum Trotz das frische Empfinden zu bewahren wußten. Jeder Sonnen-
strahl, der auf den Ackern, Wiesen, Wäldern und Blumen so wunderbare Licht- und Farbenspiele
erstehen läßt, entzückt ihn. Kr ist der zärtlichste Liebhaber der Natur, den man sich denken kann.
Sobald die erste Primel erblüht, läßt er alles im Atelier Begonnene bei Seite und sucht Felder und

1 Von seinen Bildhauerarbeiten sind folgende bekannt: »Ein polnischer geflügelter Reiter (sogenannter Husar/,) hoch zu Roß. in Zweidrittel-
gröfie, dessen polychromierter Gipsabguß sich im Nationalmuseum zu Krakau befindet; Sarkophage (Gips); eine ganze Reihe von Terrakotta-
büsten. Die in Ton modellierte Figur eines »Druiden«, dessen Sockel Wyczöikowski mit einem ölbilde schmückte, existiert nicht mein In Bronze-
gufl sind zwei Werke Wyczöikowskis bekannt Das eine stellt ein »Ukrainisches Bauernmädchen< dar, Jas /weite ist die /in I'ei.t des ,~nn ,a[u [gen
Bestandes der Krakauer Universität tlOOOj entstandene liguiaie Gedenktafel en haut lelicl, die er allerdings gemeinsam mit dein bekannten
Krakauer Bildhauer Professor Konstanlv Laszczka ausführte.

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