ihrer flinken kunstfertigen Hand, ihrem breiten Pinsel und auch ihren Behelfen eine Viertelmillion
zu verdienen wissen.
Ohne in die sorgfältig gehüteten und doch bekannten photographischen Geheimnisse besonders
indiskret eindringen zu wollen, sei nur allgemein auf folgende Methoden hingewiesen: 1. Auf die
Anwendung vergrößerter, vom Künstler selbst, und zwar von allen Seiten angefertigter Photo-
graphien des Modells, nach welchen die Hauptzeichnung zusammengestellt wird. 2. Auf die
direkte vergrößerte Übertragung des Bildes oder auch nur des Kopfes auf die Leinwand durch
photographisches Verfahren. 3. Die Benützung des Skioptikons, indem man das Diapositiv schwach
und unklar in der entsprechenden Größe auf die zu bemalende oder eine nebenstehende Leinwand
projiziert, um darnach die Zeichnung in Kohle oder dünner Farbe anzulegen.
Von der Verwendung der Glasscheibe als eines der harmlosesten Mittel sei hier abgesehen.
Die Resultate dieser raffinierten Vorarbeiten hinsichtlich richtiger Verhältnisse und Ähnlichkeit,
der Erfassung eines packenden Realismus, Ausnützung der durch Über- oder Unterexposition
zufällig entstandenen Licht- und Schattengegensätze sind — von geschickter Hand vorgetragen —
freilich überraschend und haben auf Ausstellungen die Bewunderung ahnungsloser Beschauer für
sich. Andere Porträte von gleich starken Talenten, aber auf dem mühevollen Wege der aufbauenden
Zeichnung entstanden, erscheinen daneben äußerst zahm und fast veraltet.
Damit soll nicht gesagt sein, daß die in ihre natürlichen Grenzen zurückgewiesene Photographie
nicht als Behelf von Vorteil sein könnte. Die Kamera hat uns manches enthüllt, das die menschlichen
Augen nicht zu entdecken vermochten. Wir würden sie heute auch nicht mehr auszumerzen imstande
sein, dazu ist schon ihr Anreiz für Zeitgewinn und Modellschonung zu groß. Aber leider bleibt selbst
eine maßvolle Ausnützung nicht ohne schädigende Einflüsse auf die Lebendigkeit der Phantasie,
jene beim Xaturzeichnen aktuellste Tätigkeit. Das Erschauen und rasche Einprägen der Umrisse
und Flächen, der Helligkeiten und Dunkelheiten, des Muskelspiels, der vibrierenden Mundwinkel,
des Augenglanzes als Spiegel der Seele, das darauffolgende blitzartige Umgestalten dieser Elemente
in eine sichtbare Form durch sparsame Auswahl von Linien und Punkten, bald behutsam mit der
Griffelspitze angedeudet, bald flach und energisch gestrichen — das alles setzt ein eminent
schnelles intensives Kombinieren voraus, und zwar zu dem vom Künstler intuitiv angestrebten
Zweck. Ein solches fieberheißes Schaffen, sonst harmlos Treffen genannt, will geübt sein. Nur
der »sinnvolle Strich, der zusammenfaßt, der das Äquivalent gibt«, sagt Delacroix, »gibt die
Empfindung«.
Es möchte fast wundernehmen, wenn es bei diesem verkürzenden und treffsicheren Verfahren
noch Porträtmaler und Radierer gibt, die den alten ehrlichen Weg der Naturzeichnung einhalten.
Und doch ist ihre Zahl keine geringe. Die Zeit wird den Blick der Beschauer auch dafür schärfen,
die Schaffensweise der einen von der der andern zu erkennen, so wie wir dies bei Dürer gegenüber
Holbeins Bildnissen kennen gelernt haben. Schon der Umstand, daß der Naturzeichner sein Modell
immer etwas um das Runde herum, gewissermaßen um die Ecke ansieht, der photographierende
Zeichner sich aber zu streng an die scharfen Umrisse seiner Vorlage hält, erzeugt in beiden Fällen
verschiedene Resultate.
Als ein reiner Typus der schlicht aufbauenden, ausschließlich der Natur abgeschauten Zeichnung
erscheinen mir Ludwig Michaleks Bildnisse, die heute schon sehr zahlreich, bald als karton-
ähnliche Blätter in Unterlebensgröße in Kreide und Pastell, bald auf kleineren Formaten in Graphit
oder in Silberstift auf weißgrundierten Papieren, in den Händen ihrer Besteller, in Sammlungen und
auch in seinem Atelier zu finden sind. Wiewohl dieselben der Mehrzahl nach für graphische
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zu verdienen wissen.
Ohne in die sorgfältig gehüteten und doch bekannten photographischen Geheimnisse besonders
indiskret eindringen zu wollen, sei nur allgemein auf folgende Methoden hingewiesen: 1. Auf die
Anwendung vergrößerter, vom Künstler selbst, und zwar von allen Seiten angefertigter Photo-
graphien des Modells, nach welchen die Hauptzeichnung zusammengestellt wird. 2. Auf die
direkte vergrößerte Übertragung des Bildes oder auch nur des Kopfes auf die Leinwand durch
photographisches Verfahren. 3. Die Benützung des Skioptikons, indem man das Diapositiv schwach
und unklar in der entsprechenden Größe auf die zu bemalende oder eine nebenstehende Leinwand
projiziert, um darnach die Zeichnung in Kohle oder dünner Farbe anzulegen.
Von der Verwendung der Glasscheibe als eines der harmlosesten Mittel sei hier abgesehen.
Die Resultate dieser raffinierten Vorarbeiten hinsichtlich richtiger Verhältnisse und Ähnlichkeit,
der Erfassung eines packenden Realismus, Ausnützung der durch Über- oder Unterexposition
zufällig entstandenen Licht- und Schattengegensätze sind — von geschickter Hand vorgetragen —
freilich überraschend und haben auf Ausstellungen die Bewunderung ahnungsloser Beschauer für
sich. Andere Porträte von gleich starken Talenten, aber auf dem mühevollen Wege der aufbauenden
Zeichnung entstanden, erscheinen daneben äußerst zahm und fast veraltet.
Damit soll nicht gesagt sein, daß die in ihre natürlichen Grenzen zurückgewiesene Photographie
nicht als Behelf von Vorteil sein könnte. Die Kamera hat uns manches enthüllt, das die menschlichen
Augen nicht zu entdecken vermochten. Wir würden sie heute auch nicht mehr auszumerzen imstande
sein, dazu ist schon ihr Anreiz für Zeitgewinn und Modellschonung zu groß. Aber leider bleibt selbst
eine maßvolle Ausnützung nicht ohne schädigende Einflüsse auf die Lebendigkeit der Phantasie,
jene beim Xaturzeichnen aktuellste Tätigkeit. Das Erschauen und rasche Einprägen der Umrisse
und Flächen, der Helligkeiten und Dunkelheiten, des Muskelspiels, der vibrierenden Mundwinkel,
des Augenglanzes als Spiegel der Seele, das darauffolgende blitzartige Umgestalten dieser Elemente
in eine sichtbare Form durch sparsame Auswahl von Linien und Punkten, bald behutsam mit der
Griffelspitze angedeudet, bald flach und energisch gestrichen — das alles setzt ein eminent
schnelles intensives Kombinieren voraus, und zwar zu dem vom Künstler intuitiv angestrebten
Zweck. Ein solches fieberheißes Schaffen, sonst harmlos Treffen genannt, will geübt sein. Nur
der »sinnvolle Strich, der zusammenfaßt, der das Äquivalent gibt«, sagt Delacroix, »gibt die
Empfindung«.
Es möchte fast wundernehmen, wenn es bei diesem verkürzenden und treffsicheren Verfahren
noch Porträtmaler und Radierer gibt, die den alten ehrlichen Weg der Naturzeichnung einhalten.
Und doch ist ihre Zahl keine geringe. Die Zeit wird den Blick der Beschauer auch dafür schärfen,
die Schaffensweise der einen von der der andern zu erkennen, so wie wir dies bei Dürer gegenüber
Holbeins Bildnissen kennen gelernt haben. Schon der Umstand, daß der Naturzeichner sein Modell
immer etwas um das Runde herum, gewissermaßen um die Ecke ansieht, der photographierende
Zeichner sich aber zu streng an die scharfen Umrisse seiner Vorlage hält, erzeugt in beiden Fällen
verschiedene Resultate.
Als ein reiner Typus der schlicht aufbauenden, ausschließlich der Natur abgeschauten Zeichnung
erscheinen mir Ludwig Michaleks Bildnisse, die heute schon sehr zahlreich, bald als karton-
ähnliche Blätter in Unterlebensgröße in Kreide und Pastell, bald auf kleineren Formaten in Graphit
oder in Silberstift auf weißgrundierten Papieren, in den Händen ihrer Besteller, in Sammlungen und
auch in seinem Atelier zu finden sind. Wiewohl dieselben der Mehrzahl nach für graphische
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