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Stellung der Figuren in Reihen, ihre gleichmäßigen Stellungen und der absichtliche Verzicht auf
Individualisierung wirken ganz unmittelbar als Ausdruck des unerbittlichen, nur ein Ziel kennenden,
gemeinsamen Handelns, die Andeutung einer zweiten Kämpferlinie genügt, um die Vorstellung un-
endlicher Massen und immer erneuter Kraftentfaltung zu wecken, die absichtliche Vermeidung aller
Details, die die Gewehre zu förmlichen Keulen gewandelt hat, entrückt den Vorgang unzweideutig
jedem Gedanken an eine tatsächliche Situation. Nur den Krieg, diesen Krieg will der Künstler ver-
sinnlichen und man kann nicht leugnen, daß es ihm zumindest von einer und, wie ich glaube, der
charakteristischen Seite auch gelungen ist.

Ich hoffe, damit nicht mißverstanden zu werden. Es konnte mir selbstverständlich nicht in
den Sinn kommen, in diesem Einzelfall einen Typus für die Schaffensweise der Zukunft oder auch
nur für die zukünftige Behandlung des Themas »Krieg« aufstellen zu wollen. Was ich vielmehr
beabsichtigte, war lediglich die Vorführung eines Beispiels, das die glückliche und restlose Durch-
dringung von Form und Inhalt verkörpert. Wir sehen eine Form, die zwar höchst persönlich wirkt,
die aber gleichwohl in überraschender Weise jene Prinzipien erkennen läßt, die mir für die modernen
Bestrebungen charakteristisch schienen; wir sehen aber weiters, wie diese Form nicht als Selbst-
zweck auftritt, sondern einem Inhalt als Gefäß dient, den sie aber nicht in äußerlicher, sondern, ich
möchte sagen, in organischer und zwingender Weise versinnlicht.

Vielleicht ist es mir damit gelungen, der Phantasie des Lesers jene Richtung zu weisen, in
der ich selbst das Bild der zukünftigen Kunst zu erblicken glaube.

Ich gestehe offen, daß sich dieses Bild, wie ich es allmählich entstehen zu lassen versuchte,
auch jetzt noch, da ich am Schlüsse meiner Ausführungen angelangt bin, auf sehr allgemeine
Umrisse beschränkt. Dieser sein Charakter aber, den ihm indes kein Einsichtiger zum Vorwurf
machen wird, überhebt mich der Aufgabe, auf die eingangs besprochenen Faktoren nochmals
zurückzukommen. Die zu erwartende Steigerung des nationalen Moments und die Veränderung
des kunstfördernden Publikums treten meines Erachtens doch neben den später behandelten Ein-
flüssen weit in den Hintergrund. Sie könnten einem in allen Details ausgeführten Gemälde wohl
noch einzelne individuelle Züge hinzufügen, vermögen aber an den großen und einfachen Linien
einer fragmentarischen Skizze gewiß nichts Wesentliches zu ändern.

Bevor ich schließe, seien mir nur noch einige kurze Worte gestattet, um mich gegen einen
gewiß naheliegenden Vorwurf zu verwahren: warum ich durchwegs auf historische Vergleiche
verzichtete und nicht den Versuch machte, meine Folgerungen etwa durch den Hinweis auf frühere
Kriege und deren Einfluß auf die Kunst zu stützen, wenn nicht ganz zu ersetzen.

Ich tat dies mit voller, wohlüberlegter Absicht. So verlockend es vielleicht gewesen wäre,
dieses Gebiet zu betreten, so geringen positiven Gewinn glaubte ich daraus ziehen zu können. Wer
aus der Geschichte für die Zukunft lernen zu können meint, wird immer an der Tatsache scheitern,
daß die zum Vergleich herangezogenen Verhältnisse doch im Grunde wesentlich andere waren und
infolgedessen auch eine andere Entwicklung nahmen, als die Zukunft sie für jene Zustände vorbe-
hielt, deren weitere Gestaltung man durch jenen Vergleich enthüllen wollte.

Ob der von mir gewählte Weg hiezu geeigneter war, werden allerdings erst die kommenden
Jahre erkennen lassen. Für heute muß ich das Urteil darüber dem freundlichen Leser anheimstellen,
der mir bisher auf diesem vielleicht ungewohnten Wege willig gefolgt ist.

Richard Harlfinger.

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