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Emil Orlik, Auf dem Gansebäufel in Wien (]91l

Aquatinta.

Zeichenversuch eines Kindes erscheinen mag. In Wahrheit ist sie von einer so stark künstlerischen
Gewalt, daß sie als ein eindringlichstes, weil einfachstes Paradigma aller antirealistischen Kunst
erscheinen muß. Diese Töpfe sind nur in ihren äußeren Konturen skizziert: ihre obere Öffnung ist
mit einer unanfechtbar richtigen Perspektive gegeben; ihre Basis aber ist derart unperspektivisch,
daß der Topf in der Realität gar nicht aufrecht stehen bleiben könnte. Doch der Bildeindruck des
Ganzen ist von einer Geschlossenheit, die europäische Kunst kaum erreicht. Nun auf dieses Aquarell
ein Pauspapier legend, zeichnet Professor Orlik vor dem Beschauer die Gegenstände durch, aber
perspektivisch einwandfrei. Das heißt: er verbessert sie. Und sofort hat das Bild jeden Wert eingebüßt.
Ausdrucksbar und aufgelöst in Langeweile, zerrissen in Fragmente von Abzeichnungen der Materie,
die nicht mehr gemeinsame Existenz, sondern nur noch Einzelbedeutungen besitzen, so ist das Bild
Unkunst und Unkönnen geworden.

Notwendig war es, solange über den Umkreis von Emil Orliks Kunst zu sprechen, bevor man
zu ihm selbst gehen konnte. Denn so manche moderne und nur allzu oft verschriene Bestrebung
würde klarer, zeigte man immer die Parallelität zu anderer, schon klassisch festgesessener auf.
Und hier handelt es sich wahrhaft mehr um Parallelität denn um Beeinflussung. So und so wäre
der Künstler dorthin gekommen, wo er heute steht; es wäre nur der Weg länger und noch müh-
seliger gewesen. Der Osten hat ihn nicht bezwungen, sondern gekräftigt. Nicht bestimmt, sondern
bestätigt. Und wenn er heute den Realismus, der weniger die Kunst an sich als die Wiedergabe
der Natur will, ganz überwunden und abgestreift hat, so ist es nicht durch das Mittel von
japanischer und chinesischer Kunst geschehen, sondern durch ein bald dreißigjähriges Hindurch-
gehen durch alle Art von Studium, durch ein bald dreißigjähriges Lehrjungendasein, durch eine

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