Abb. 1. August Brömse, Die rote Fahne
AUGUST BRÖMSE.
Im Jahre 1902 lenkte ein Zyklus von Radierungen, der unter dem Namen »Tod und Mädchen«
erschien, zum erstenmal die Aufmerksamkeit auf einen jungen Künstler, August Brömse. Zu einer
Zeit, wo der greise Menzel auf dem Gebiete der Zeichnung der Jugend noch rüstig als Führer
voranschritt, wo die streng modellierten Radierungen eines Stauffer-Bern freudigen Anklang
fanden und die Gedankenwelt eines Böcklin und Klinger bereits Eigentum des deutschen Volkes
geworden war, hatte Brömse als Schüler der Berliner Akademie seine Laufbahn begonnen. Nun
trat er mit jener größeren selbständigen Schöpfung hervor, die trotz eines gewissen Anschlusses
an die führenden Meister eine eigenartige Persönlichkeit verriet, die reiche Phantasie mit über-
zeugender Darstellungskraft verband. Neben einer gründlichen Beherrschung des Handwerklichen
offenbarten diese Blätter ein feines Verständnis für die plastische Form und Stofflichkeit der
Körper, das durch sorgfältiges Naturstudium gefördert worden war. Eine unbedingte Ehrlichkeit
der Arbeit, die weder blenden noch dem Geschmacke der .Masse das geringste Zugeständnis
machen wollte, ließ erkennen, daß es dem Künstler einzig und allein darum zu tun war, auszu-
sprechen, was sein Innerstes bewegte. Darauf deutete übrigens schon die Herbheit des gewählten
Vorwurfes hin: ein Mädchen, das gefehlt, büßt sein kurzes Glück mit bitterer Seelenpein, schließ-
lich mit dem Tode. Diesen tragischen Vorwurf auf seinen dramatischen Gehalt hin auszuschöpfen
mühte sich der junge Künstler mit allen Kräften; was aber aus seinen Händen hervorging, waren
feine Stimmungsbilder voll verträumter Poesie. Man beachte nur, wie beim »Liebespaar auf dem
Hügel« das Beiwerk die Hauptpersonen überwuchert. Leichte Sommerwolken schweben in der Höhe,
Feldbreiten und Wiesen leiten den Blick allmählich in die Ferne, buschiges Strauchwerk belebt in
anmutigem Wechsel mit zarten Gräsern das Gelände; alles ist in liebevollem Verweilen fest-
gehalten, selbst das Wässerlein nicht vergessen, das die Blumen tränkt. Doch auch wenn düstere
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AUGUST BRÖMSE.
Im Jahre 1902 lenkte ein Zyklus von Radierungen, der unter dem Namen »Tod und Mädchen«
erschien, zum erstenmal die Aufmerksamkeit auf einen jungen Künstler, August Brömse. Zu einer
Zeit, wo der greise Menzel auf dem Gebiete der Zeichnung der Jugend noch rüstig als Führer
voranschritt, wo die streng modellierten Radierungen eines Stauffer-Bern freudigen Anklang
fanden und die Gedankenwelt eines Böcklin und Klinger bereits Eigentum des deutschen Volkes
geworden war, hatte Brömse als Schüler der Berliner Akademie seine Laufbahn begonnen. Nun
trat er mit jener größeren selbständigen Schöpfung hervor, die trotz eines gewissen Anschlusses
an die führenden Meister eine eigenartige Persönlichkeit verriet, die reiche Phantasie mit über-
zeugender Darstellungskraft verband. Neben einer gründlichen Beherrschung des Handwerklichen
offenbarten diese Blätter ein feines Verständnis für die plastische Form und Stofflichkeit der
Körper, das durch sorgfältiges Naturstudium gefördert worden war. Eine unbedingte Ehrlichkeit
der Arbeit, die weder blenden noch dem Geschmacke der .Masse das geringste Zugeständnis
machen wollte, ließ erkennen, daß es dem Künstler einzig und allein darum zu tun war, auszu-
sprechen, was sein Innerstes bewegte. Darauf deutete übrigens schon die Herbheit des gewählten
Vorwurfes hin: ein Mädchen, das gefehlt, büßt sein kurzes Glück mit bitterer Seelenpein, schließ-
lich mit dem Tode. Diesen tragischen Vorwurf auf seinen dramatischen Gehalt hin auszuschöpfen
mühte sich der junge Künstler mit allen Kräften; was aber aus seinen Händen hervorging, waren
feine Stimmungsbilder voll verträumter Poesie. Man beachte nur, wie beim »Liebespaar auf dem
Hügel« das Beiwerk die Hauptpersonen überwuchert. Leichte Sommerwolken schweben in der Höhe,
Feldbreiten und Wiesen leiten den Blick allmählich in die Ferne, buschiges Strauchwerk belebt in
anmutigem Wechsel mit zarten Gräsern das Gelände; alles ist in liebevollem Verweilen fest-
gehalten, selbst das Wässerlein nicht vergessen, das die Blumen tränkt. Doch auch wenn düstere
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