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URIEL BIRNBAUM.

Martin Buber zeichnet in sei-
nem tiefgründigen Buche »Vom
Geist des Judentums« den Orien-
talen, im Gegensatz zum senso-
rischen Okzidentalen, als den
motorischen Menschen, der in
Bewegungen empfindet, durch
den die Welt in Bewegungen
hindurchgeht und derauch immer
von einem heftigen Pathos be-
wegt ist, das ist einer Forderung
des Unmöglichen. Der Inhalt die-
ser Forderung: die wahre gei-
stige Welt zur wirklichen zu
machen. Im Juden ist diese innere
Bewegtheit besonders stürmisch,
er lebt weniger in der Substanz
als in der Relation, seine Seele
will den Kosmos nicht nur erle-
ben, sondern auch gestaltend auf
ihn einwirken. Diese Einwirkung
geschieht durch die Umkehr, die
Wahl, die Entscheidung. »Am
Umkehrenden geschieht die Welt
von neuem. An seiner Erneuerung
erneuert sich die Welt.«

Wie eine Illustration dieser
scharfen Charakteristik wirken
die Zyklen, die der 25jährige Uriel Birnbaum kürzlich im Verbände der »Wiener Zeitkunst« (Mayseder-
gasse)zeigte.Eine zeitweilige Tätigkeit alsPlakatzeichner in Berlin mag ihn schärfend gefördert haben,
aber gewiß wirkt hier der Trieb zur Bewegung von der Wurzel an, das ganze Wesen erfüllend, wodurch
die plakathafte Wirkung seiner Bilder notwendig und unschuldig wird. Denn es ist kein äußerliches
Effektsuchen, sondern ein gewaltiges Pathos treibt bis ans Äußerste, zur knappsten, brennendsten
Formulierung. Auch hier soll die geistige Welt zur wirklichen gemacht werden. Das ist die
Forderung, die an jeden Künstler gestellt ist. Aber hier ist diese Forderung bis zum Unmöglichen
gespannt: er unternimmt es, die Weltschöpfung darzustellen. Er läßt das Siebentagewerk aufblühen
in farbigen Kreisen, Ringen, Gestalten, schafft die Gestirne noch einmal, die Zeit, den Tod — so

Uriel Birnbaum, Der Tod und die Mutter.

Farbige Zeichnung.

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