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deren Stil eine Kluft von der Heidelberger trennt (Abb. 2). Die Heidelberger begnügt sich,
wie das abgebildete Beispiel lehrt, mit einer raumlosen Figurenandeutung, die Bamberger
dagegen versetzt die Täuschung Isaaks in eine Stube, die durch symmetrische Rahmung,
schwarze Tür- und Fensteröffnungen, durch scharf verkürzte Deckenbalken und Tiefendrehung
der Figuren durchaus dreidimensional erscheint. Wenn die Schraffur auch nur angedeutet
ist, so ist sie doch da und deutet darauf, daß der Sinn für die idealistische Darstellung nicht
mehr vorhanden ist. Wollte man mit Schreiber annehmen, daß diese beiden Armenbibeln
ungefähr gleichzeitig seien, so würde man sich jeglichen Rechts zur Datierung begeben, da
damit der Begriff der Entwicklungsgeschichte, auch wenn man sie sich nicht in einer Linie
verlaufend denkt, aufgehoben wäre. Zudem bestünde keine Möglichkeit, die übrigen Heidel-
berger Blockbücher einzuschalten, die ja zwei weitere, ein oder zwei Jahrzehnte beanspru-
chende Blockbuchstufen repräsentieren.

Den Wiener Sebastian (Abb. 14) würde die Stilkritik heute um 1430—40 datieren, auch
ohne daß er das Datum 1437 trüge. Gegenüber den Holzschnitten der Heidelberger Block-
bücher macht er vergleichsweise den modernsten Eindruck. Nicht nur daß der Akt recht
klar gegliedert und beherrscht ist, die Bewegungen der Schützen sind reich differenziert und
durch die Horizontlinie ist eine ganz klare Raumwirkung erzielt. Schreiber schließt bei dem
1779 in St. Blasien aufgefundenen Holzschnitt aus dem Dialekt auf westschwäbische Her-
kunft, die Lokalisierung bedarf also keiner weiteren Diskussion. Wie beim Buxheimer Chri-
stopherus erscheint ihm freilich das Datum nicht für die Entstehung verbindlich und er setzt
das Blatt zwischen 1440—50, „das beweisen die senkrechten Falten, das spitze Schuhwerk
und die herabfallenden Stiefelschäfte". Allein seine Skepsis ist auch in diesem Fall unbe-
gründet, das Datum braucht nicht bezweifelt zu werden und es klingt wie eine Bestätigung
unserer Auffassung, wenn Haberditzl in den „Wiener Einblattdrucken" (Nr. 152) sagt, „in
der Darstellung finden sich mehrfach deutliche stilistische Anklänge an die Bilder der Biblia
pauperum in der Heidelberger Universitätsbibliothek, beispielsweise im Schnitt der Gesichter,
in den gnomenhaften Kopftypen, den Falten und den Baumkronen. Daß die Kostüme einzelner
Figuren der Sebastiansmarter einer jüngeren Zeit angehören als die Kostüme in der Biblia
pauperum, mag entweder dem Beweis dienen, daß die Biblia noch älteren Datums ist, oder
daß für ihre Darstellungen eine ältere, zähe Tradition maßgebend war." Es bedarf aber dieser
Rechtfertigung gar nicht und es lassen sich alle Widersprüche vermeiden, wenn man nicht
glaubt, die Biblia pauperum „gegen 1460" datieren zu müssen, sondern sie vielmehr um 1420
setzt, also vor der Gutenbergschen Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern.

Bedenken wir, daß die Heidelberger Büch er im großen und ganzen der Periode angehören,
die man in der Plastik die des weichen Stils nennt, bedenken wir, daß in der gleichen Gegend,
in die alle diese Blockbücher und Holzschnitte gehören, um 1440, ein Konrad Witz arbeitet
und daß dieser Maler längst über den weichen Stil hinaus war, so wird es unwahrscheinlich,
daß sich, wofür wir ja keinen Anhalt haben und was von Schreiber nur unter Vergewaltigung
der wenigen Daten, die wir haben, behauptet werden konnte, der weiche Stil im Holzschnitt
durch Jahrzehnte noch gehalten habe, nachdem er im übrigen längst überwunden war. Ist
es nicht umgekehrt richtig, endlich mit den Vorurteilen zu brechen und die Erkenntnisse,
die uns in der Malerei und Plastik längst in Fleisch und Blut übergegangen sind, nun end-
lich auch auf dieses Gebiet zu übertragen?

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