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reden sein wird, in öffentlicher Sitzung vorwerfen: „Die Regierung hat die Wahlumtriebe in
kolossalem Maßstabe organisiert, die Presse für das Volk stumm und für sich zu einem Mono-
pol gemacht. Sie hat die Staatsdiener für Instrumente erklärt, die man zerbreche, wenn sie
sich nicht fügen, und hat sie dann in Zirkularnoten zur Einmischung in die Wahlen nach
vorgeschriebener Richtung aufgefordert." Es erwuchs ihm eine scharfe und ständig sich meh-
rende Opposition, die außerordentlich unbequem wurde. Geist konnte ihm indessen nicht ab-
gesprochen werden, und so fand er an dem geistig regen, literarisch bewanderten und fein-
sinnigen Schwind besonderes Gefallen. Dieser verkehrte gern in dem Hause, dessen Herrin
Maximiliane eine geborene Brentano aus Frankfurt a. M. war (1802—1861).3 Sie und mehrere
der Kinder porträtierte der Künstler in sehr fein und sicher ausgeführten Blättern.4 In dem
Album von Frau v. Blittersdorf nehmen neun geistreiche und lustige Federzeichnungen näheren
Bezug auf Zeitereignisse, und im Zusammenhang damit steht die Stelle eines Briefes, den
Schwind am 4. April 1842 an Bauernfeld richtet: „. . . Blittersdorf kann was ertragen und
plagt mich eigentlich um Karikaturen. Ich habe ihm eine Szene gezeichnet, wo man ihm die
Fenster einwerfen will, das gefällt ihm sehr gut und er will es herausgegeben haben. Ich will
es nicht abgelehnt haben und vor allem nicht, bis ich die Sache kenne."

So wollte Blittersdorf auch, daß der Künstler zu den Tugenden in der Ersten Kammer in
Karikaturen von Abgeordneten der Zweiten Kammer ein satirisch-ironisch gehaltenes Gegen-
stück lieferte. Am 23. Februar schreibt Schwind mit Beziehung darauf an Bauernfeld: „Die
badische Kammer betreffend, bin ich in einer etwas genierten Lage. Ich kenne die meisten
Deputierten recht gut, und in Blittersdorfs Hause habe ich ein „Leben" nach Schober. Ich
weiß, ich täte ihm den größten Gefallen mit einigen Caricaturen, ich mag aber nicht. Denn
die Teufelskerle müssen das Geld bewilligen, von dem ich lebe, und es hätte den Anschein,
als wollte man sich höheren Orts einschmeicheln. Indessen werde ich schon sehen, was zu
machen ist. Der Tag ist nicht mehr fern, wo Welker und Itzstein als lächerliche Personen
dastehen werden."

Indessen entwarf er doch in Federzeichnung auf besonders hervorragende Mitglieder der
Zweiten Badischen Kammer sechs Karikaturen, die sich heute in der Badischen Kunsthalle
zu Karlsruhe befinden.5 Zu einer malerischen Ausführung dieser Kompositionen im Sitzungs-
saale des Ständehauses ist es aber nicht gekommen, wie im Hinblick auf nicht völlig klare
Ausführungen in der bisherigen Literatur über diese Sache ausdrücklich festgestellt sei.6

Wenn also Zumutungen in dieser Richtung an den Künstler gestellt worden sind, so hat
er sich ihnen aus Gründen, die er selbst ausgesprochen, entzogen — und mit Recht, wie wir
sagen müssen.

Von diesen sechs Karikaturen aber gibt es nun Lithographien, die sich in Frankfurter
Privatbesitz befinden und völlig unbekannt zu sein scheinen. Eine Bezeichnung tragen die
Lithographien selbst nicht, weder des Künstlers noch der Dargestellten; die Namen der letz-
teren aber stehen, mit Bleistift geschrieben, einmal auf der Rückseite, aber auch, von anderer
Hand, auf den Untersatzkartons, und außerdem der Vermerk: „Originallithographie von Mor.
v. Schwindt (!)" „Sammlung E. G. May". Die Blätter stammen also offensichtlich aus dem
Besitz der bekannten großen lithographischen Firma in Frankfurt; bei ihr ist später das große
Album mit den Bildnissen der sämtlichen Abgeordneten des Frankfurter Parlaments, sind

3 Das Blittersdorfsche Haus war, nach Schwinds eigenem Zeugnis, „das einzige, was er außer der Familie
besuchte". J. A. Beringer, Graphische Künste. 1916. S. 59.

4 Beringer a. a. O. S. 186.

5 Abgeb. in den Klass. der Kunst (hrsgg. v. O. Weigmann) Bd. IX (1906) S. 176.

6 Für frdl. Auskünfte bin ich der Direktion der Badischen Kunsthalle zu aufrichtigem Danke verpflichtet.

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