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nerischen Ungelenkheit wahrscheinlich aus der Jugendzeit stammt; unterhalb der Herrscher-
bilder sind nun die Namen in einer Art Steinschrift seitenverkehrt geschrieben. Auf einem
anderen Blatt sind mehrere gotische Versalbuchstaben seitenverkehrt zu sehen. Wieder auf
einem anderen befindet sich in einem zweimal winkelig gebrochenen Bande die im Aussehen
an gotische Steinmetzarbeiten erinnernde Inschrift „ich bin / die auf- / erstehung" (Abb. 5),
die ganze Inschrift abermals seitenverkehrt. (Es deuten keinerlei Anzeichen darauf hin, daß
die Schrift gepaust ist, im Gegenteil: die Schrift sollte ursprünglich gerade fortgesetzt werden,
der erste Bruch des Bandes zeigt dies; eine solche Änderung deutet nicht auf ein Pausen.
Trotz der darüber gelegten Schummerung ist das Schriftband aber auch nicht zum Durch-
pausen bestimmt gewesen, denn Schummerung und Schrift befinden sich auf derselben Papier-
seite.) 8 Makart scheint es also gleichgültig gewesen zu sein, ob er seine optischen Erinnerungen
seitenrichtig oder seitenverkehrt festhielt. Es besteht aber sogar die Möglichkeit, daß die
häufigen Seitenverkehrungen bei Makart durch ein psycho-physisches Moment bedingt waren;
denn die gleichfalls eidetisch veranlagte in Wien lebende Malerin und Kunstgewerblerin Maria
Dolnicka-Nedbal teilte dem Verf. mit, daß ihre optischen Anschauungsbilder seitenverkehrt
seien; dies gehe so weit, daß sie etwa beim Wiedersehen einer ihr besonders lieben Auland-
schaft verwundert bemerkt habe, daß ein über das Buschwerk charakteristisch aufragender
Baum sich in Wirklichkeit rechts und nicht wie im Anschauungsbilde der Erinnerung links
befinde.

Das bei Makart beliebte Verfahren, Vorbilder seitenrichtig und seitenverkehrt zu ver-
arbeiten, erscheint nur als ein Zug im Gesamtbilde seines Schaffensprozesses; zu diesem gehört
es, optische Eindrücke in stärkstem Grade zu verselbständigen, aus dem ursprünglichen Zu-
sammenhang zu lösen, beliebig zu drehen und eben auch in den Seiten zu verkehren. All dies
deutet auf eine außerordentliche Höhe und Ausschließlichkeit der optischen Aufnahmefähig-
keit des Künstlers.

8 Der Verf. hat Herrn Hofrat Weixlgärtner für seine fachmännische Beratung bei der Untersuchung des Zu-
Standes der Zeichnungen aufrichtig zu danken.

5. Hans Makart, Bleistiftskizzen. Ausschnitt, halbe Originalgröße
Wien, Privatbesitz

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