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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 7.1942-1943

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Bergsträszer, Gisela: Der Meister der Karlsruher Passion und der Meister der Gewandstudien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6998#0012
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GISELA BERGSTRÄSZER / DER MEISTER DER KARLSRUHER
PASSION UND DER MEISTER DER GEWANDSTUDIEN

In dem für die Erkenntnis des Meisters der Karlsruher Passion grundlegenden Aufsatz
(Oberrh. Kunst Bd. 6 S. 41 ff.) hat sich L. Fischel weitgehend auf Zeichnungen des „Meisters
der Gewandstudien" bezogen, wie Winkler diesen rheinischen Künstler im Wallraff-Richartz-
Jahrbuch, N. F. I, benannte. Zwei der von L. Fischel besprochenen Zeichnungen lassen sich
genauer identifizieren. Es sind die Vorder- und Rückseite eines Blattes des Berliner Kupfer-
stichkabinettes (Inv.-Nr. 4296), das sie unter den Nummern 10 und 11 führt. Sie gehen auf
das Passionsfenster der ehemaligen Abteikirche von Walburg im Elsaß zurück. Nachzeichnung
und Original der Kreuzannagelung stimmen genau überein. Nur fehlt in der Kopie die Land-
schaft und der damaszierte Hintergrund sowie der Hammer, der auf dem Original links oben
liegt. Zudem hatte der Kopist nicht genau mit dem Platz gerechnet und mußte deshalb die
Hand Christi vom Bildrand überschneiden lassen. Den linken Bildrand schob er ein wenig
hinaus. Im übrigen ist die Zeichnung sehr getreu. Ebenso verhält es sich mit der Zeichnung
auf der Rückseite des Blattes, auf der die Geißelung und die Kreuztragung Christi dargestellt
sind. Auch diese beiden Szenen stimmen mit den gleichen der Walburger Fenster überein
und geben zugleich einen Einblick in die Art des Zeichners. Er hat zwei Szenen nebenein-
ander kopiert, die im Original getrennt waren. So kam es zu der Komposition, deren Breit-
format stark an Caspar Isenmanns Colmarer Altar erinnert; sie veranlaßte L. Fischel, die
Skizzen für Nachzeichnungen nach den Fresken der Dominikanerkirche in Straßburg zu
halten, deren besondere Verwandtschaft mit Isenmann sie betont. Auch hier handelt es sich
um Nachzeichnungen nach den entsprechenden Walburger Szenen. Die Kreuztragung ist
nicht ganz vollständig nachgezeichnet, der dritte Scherge und die Landschaft fehlen, sonst
war der Künstler sehr genau und sorgsam.

Bezieht schon L. Fischel die beiden Nachzeichnungen in das Werk des Meisters der Karls-
ruher Passion mit ein — sie nimmt an, daß in ihnen Originale dieses Künstlers festgehalten
sind —, so stützt ein Vergleich des Walburger Passionsfensters mit den Karlsruher Tafeln
ihre Vermutung, deshalb möchte ich noch einige Vergleichsmomente zwischen der Karlsruher
Passion und dem Walburger Fenster mit der Leidensgeschichte aufzählen. Ich werde immer
das Beispiel der Karlsruher Passion an erster, das des Walburger Fensters an zweiter Stelle
nennen. Der Mann, der den Nagel festschlägt, der durch die rechte Hand Christi geht, hat
den gleichen, Kopf mit derselben Mütze wie der Mann, der die Füße mit einem Nagel ans
Kreuz heftet, in Walburg. Die Bewegung des Hämmerns ist sehr verwandt, in Walburg ist
sie organischer, gekonnter. Der kniende Junge mit dem unter den rechten Arm geklemmten
Bohrer, der das Schamtuch zusammenhält und seinen linken Arm auf den Leib Christi drückt,
ist durch einen Kriegsknecht ersetzt. Doch blieb gerade das auffallende Motiv des linken
Armes, ebenso wie die Kniebewegung des rechten Beines. Wieder ist die Gesamtbewegung
organischer, der gesenkte Blick motivierter. Christus hat auf beiden Werken das gleiche Ant-
litz mit der großen, geraden Nase und den schräggestellten Augen. Hier wie dort ist die Bauch-
decke am Rippenrand scharf eingesenkt, sind die Füße übereinander gekreuzt. Auf beiden
Darstellungen haben die Figuren große Köpfe und Hände, die jedesmal die Träger des Aus-
drucks sind. Der Vergleich dieser Einzelheiten läßt schon keinen anderen Schluß zu, als den
auf den gleichen Meister. Die Anordnung des Ganzen bestätigt ihn. Das Kreuz ist jedesmal
schräg durch das Bild gelegt, die Figuren sind auf beiden Werken so angeordnet, daß sie sich
gegenseitig nicht überschneiden, sondern jede völlig sichtbar wird. Sie sind so verteilt, daß
der zwischen ihnen bleibende Raum der Bildfläche völlig belebt wirkt, auch ohne füllende

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