in ein ungekanntes Land. Da ist zum Beispiel Tung
Yüans ,Abendstimmung‘. Sieht man das Bild nahe,
so bemerkt man nichts Besonderes. Aber in einiger
Entfernung zeigen sich seine vielfältigen Schönheiten.
Ein Dorf träumt im fernen Abendlicht, und weite
Gipfel werfen tiefe Schatten.“1
Man denkt an den Malstil, den die Japaner Haboku
nennen, der mit ganz wenigen konventionellen Tusch-
flecken einen Landschaftstraum auf die Fläche zau-
bert. In raschem Zuge hingeschriebene Pinselstriche
bauen Felsen und Berge, Bäume und Wasser, Häuser
und Boote mit Menschen. Es gibt Bilder, die zart sind
wie ein Hauch des Morgens. Aber nur der Meister
vermag auf so empfindlichem Instrument wahrhaft
zu spielen, so lockend die Verführung für den Schüler
ist, der es leicht wähnt, weil die Zahl der Saiten nicht
groß ist.
Nahe liegt auf der anderen Seite die Gefahr der
Virtuosität, die den Pinselstrich um seiner selbst willen
wertet und über dem Mittel seine Bestimmung ver-
gißt. D as Habokubild leistet das letzte an Verzicht
auf das Gegenständliche, es ist die reinste Verkör-
perung eines ästhetischen Prinzips, und es verfällt am
leichtesten dem Schicksal, zu einer Kunst der Ästhe-
ten zu werden.
Schon zu Ende des 8. Jahrhunderts rühmt man von
einem chinesischen Meister wahre Wunder der Pinsel-
führung.2 „Sein Pinsel ging wie fließendes Wasser“,
heißt es von einem Meister des elften Jahrhunderts?
1 Giles S. 88. — s Giles S. 62. — 3 Giles 8. 97.
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Yüans ,Abendstimmung‘. Sieht man das Bild nahe,
so bemerkt man nichts Besonderes. Aber in einiger
Entfernung zeigen sich seine vielfältigen Schönheiten.
Ein Dorf träumt im fernen Abendlicht, und weite
Gipfel werfen tiefe Schatten.“1
Man denkt an den Malstil, den die Japaner Haboku
nennen, der mit ganz wenigen konventionellen Tusch-
flecken einen Landschaftstraum auf die Fläche zau-
bert. In raschem Zuge hingeschriebene Pinselstriche
bauen Felsen und Berge, Bäume und Wasser, Häuser
und Boote mit Menschen. Es gibt Bilder, die zart sind
wie ein Hauch des Morgens. Aber nur der Meister
vermag auf so empfindlichem Instrument wahrhaft
zu spielen, so lockend die Verführung für den Schüler
ist, der es leicht wähnt, weil die Zahl der Saiten nicht
groß ist.
Nahe liegt auf der anderen Seite die Gefahr der
Virtuosität, die den Pinselstrich um seiner selbst willen
wertet und über dem Mittel seine Bestimmung ver-
gißt. D as Habokubild leistet das letzte an Verzicht
auf das Gegenständliche, es ist die reinste Verkör-
perung eines ästhetischen Prinzips, und es verfällt am
leichtesten dem Schicksal, zu einer Kunst der Ästhe-
ten zu werden.
Schon zu Ende des 8. Jahrhunderts rühmt man von
einem chinesischen Meister wahre Wunder der Pinsel-
führung.2 „Sein Pinsel ging wie fließendes Wasser“,
heißt es von einem Meister des elften Jahrhunderts?
1 Giles S. 88. — s Giles S. 62. — 3 Giles 8. 97.
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