Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Glaser, Curt
Die altdeutsche Malerei — München: Bruckmann, 1924

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.53083#0077
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
DIE WESTFÄLISCHE MALEREI

65

Die typisch repräsentative Geste wird zur sinnfälligen Handlung. Und das
eine Motiv stellt sich ein in den Zusammenhang anderer, deren gemeinsames
Ziel es ist, ein natürliches Geschehen zur Anschauung zu bringen.
Eine Reihe von Meistern ist zur gleichen Zeit mit Konrad in Westfalen tätig
gewesen. Ein so stattliches Werk wie der ehemalige Hochaltar der Lamberti-
kirche in Hildesheim (Abb. 43) verdient eine Stelle neben Konrads eigener Schöp-
fung, der es an Reichtum der Durchbildung wie der Motive fast überlegen, wenn
auch in der edlen Gehaltenheit der Formensprache nicht ebenbürtig ist. Der
Lambertialtar gehört zu den wertvollsten unter einer vergleichsweise großen
Zahl erhaltener Zeugnisse des Stiles, der im westfälischen und niedersächsischen
Gebiet durch mehr als drei Jahrzehnte herrschte, um endlich in einem immer
noch liebenswürdigen, aber inhaltsleeren Manierismus zu enden, der sich in
der geschmeidigen Eleganz der goldenen Tafel von Lüneburg mit ihren um-
fangreichen Bilderfolgen am reichsten auswirkte (Abb. 44).
In diesem edlen Werke, dessen stilgeschichtliche Deutung noch nicht end-
gültig gelungen scheint, bekundet sich der internationale Charakter mittel-
alterlicher Malerei, der in seinen lokalen Auswirkungen schwer zu fassen ist.
Erst neben der goldenen Tafel wird die spezifisch westfälische Eigenart im
Werke Konrads greifbar, die, sinnenfreudiger dem Diesseits zugewandt, mit
sichtlicher Vorliebe Züge täglichen Lebens den mehr auf rhythmische Schön-
linigkeit als auf realistische Erzählung eingestellten Idealkompositionen der
heiligen Legenden verflicht.

Glaser, Die Altdeutsche Malerei. 5
 
Annotationen