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und chinesische Waren kamen nach der gewaltigen Hafenstadt,
auch Ballen von Gedanken aus der Ferne, nach Spezereien duf-
tende, uralte Weisheitsschätze aus dem Morgenland wurden hier
ausgeladen.
Hebräisches und Christliches traten hinzu.
Eine wunderbare Verschmelzung der fruchtbarsten und größten
Gedanken aller Rassen und Zonen bereitete sich hier vor.
Die fast übermenschliche Aufgabe, dies in eine Weltanschauung zu
fassen, lud vor allem Plotin auf seine Schultern. Er unternahm,
Platon und Aristoteles zu versöhnen und beide neu zu beleben mit
der frommen Inbrunst, die ihm selbst von Herzen ging und man-
chen seiner Zuhörer mit sich riß.
Seine ästhetische Philosophie war durchaus nicht dem Leben ab-
gewandt, denn er gedachte sogar eine Stadt der Weisen zu gründen,
wo die Verehrung der Schönheit oberstes Staatsgesetz sein sollte
und die Pflicht zur Schönheit selbstverständliche Bürgerpflicht.
Zu Platons Ehren nannte er diese ideale Stadt Platonopolis. Der
Plan entstand, nachdem Plotin Alexandria verlassen hatte und in
Rom Philosophie lehrte, wo er sich großen Anhangs erfreute.
Kaiser Gallienus und seine schöngeistige Gemahlin Salonina waren
ihm hold, doch Hofintrigen vereitelten die Gründung der Philo-
sophenstadt.
Die Kerngedanken von Plotins Weltanschauung, die stets für dunkel
und schwer faßbar galt, die auch moderne Ausleger vollständig
mißverstanden und mißachteten *), hat Goethe ergriffen, als er durch
Zufall, wie er im Jahre 1805 an Zelter berichtete, den alten My-
stiker fand und die Übersetzung des Anfangs der Enneaden ver-
suchte. Diese Kerngedanken erfaßt Goethe in zwei aus Plotin
geschöpften Sprüchen:
Das Schöne ist höher als das Gute, das Schöne schließt das Gute
in sich**).
*) Brenning: Die Lehre vom Schönen bei Plotin. Göttingen 1863. Plotins
Ethik krankt an seiner Ästhetik, wie seine Ästhetik an der Ethik.
**) Einen ähnlichen Gedanken faßt Schiller in dem Distichon:
Wirke Gutes, du nährst der Menschheit göttliche Pflanze,
Bilde Schönes, du streust Samen der Göttlichen aus.

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