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und die alogische — Gedanke und Gefühl, Begriff und Intuition —
gleichmäßig ergeben.
Der Mensch muß selbst schön werden, um auf das Schöne schließen
zu können. Es muß imstande sein, es freudig zu erleben. Wer
es freudig erlebt, ist selbstverständlich gut, etwa wie einer, der
lesen kann, aufmerksam liest, ohne sich noch besondere Rechenschaft
zu geben, daß er liest, noch sich etwas Besonderes darauf zugute
tut, daß er die Buchstaben bewältigt, obwohl dies in der Tat keine
zu verachtende Kunst ist.
Welcher wahrhaft Tapfere weiß im Augenblick der tapferen Tat,
daß er ein Held ist? Er folgt einem natürlichen Instinkt, ein Unter-
lassen der Tat wäre für ihn vor seinen eigenen Augen unschön und
daher verächtlich.
Wie ein Künstler sein Werk dadurch verbessert, daß er alles Un-
nötige und Störende entfernt, muß der Weise los und ledig werden
der Irrtümer und Schwerfälligkeiten des Stofflichen. Er darf an
seiner eigenen Schönheit nicht etwa mit eitler Befriedigung arbeiten,
sondern muß an ihr bilden mit jener unaufhörlichen Unzufriedenheit
des großen Meisters, der sich nie genug tun kann, weil in seinem
Herzen das Urbild des Schönheitstraums verhüllt ruht. Auch mit
der Glückseligkeit des Künstlers, den jeder Teilerfolg beseligt und
in immer höhere Sphären hebt, in die erlesene Gesellschaft der
größten Geister und edelsten Weisen zuerst, dann allmählich zu
immer reinerer Anschauung des Urschönen, von dem sie alle ab-
hängig sind, dessen beseelte Teile sie bilden.
Zum Tempelfest geht man nicht in schlechter Gesellschaft und in
schlechten Kleidern.
Darf aber der wegen seiner Unwürdigkeit nicht Zugelassene be-
haupten, es gäbe gar kein Tempelfest, weil er nicht dabei ist, auch
keine Musik und keinen Tempel?
Wer die zeitlichen Dinge als Hauptsache betrachtet, die Schönheit
als nebensächlich ansieht, höchstens als vorübergehend lehrhaft oder
vergnügenerregend, bleibt in schlechter Gesellschaft und bewegt sich
in schlechten Kleidern. Nie wird es Feiertag in seiner Seele. Aber
dieser Feiertag ist die Hauptsache. Der Künstler, der Liebende und
der Philosoph streben ihm am ehesten zu, erleben ihn am ehesten.
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