So läßt sich die ungeheuere Macht erklären, die das farbenprächtige
alttestamentarische Bibelwerk mit seinen vielen Seltsamkeiten über
die Länder der Erde gewann.
Die Menschheit vertiefte sich in das wunderbare Buch der Bücher
und dichtete daran weiter, trug neue Wunder in die alte Sagenwelt
und ergötzte sich an einem großartigen Spiel von Gleichnissen,
denn alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis. Es wurde eine be-
sondere Kunst und künstlerische Freude, mit solchem orientalischem
Rätseldeuten den Geist zu beschäftigen. Auch in der profanen
Dichtung entstammen dieser Kunst viele der schönsten und tiefsten
Schöpfungen. Sie drang mit wuchernder Kraft in Skulptur und
Malerei ein und bannte mit dem himmelstrebenden gotischen
Kirchenstil alle Geheimnisse der Welt in steinerne Formen.
XIV
Die Gewohnheit des Allegorisierens, des Komplizierens und Sub-
tilisierens beeinflußte den Zeitgeist so stark, daß jede nüchterne
Forschung überwuchert wurde — wie Urwaldstämme von allzu
üppigem Schlingkraut. Es gehörte zu den Unmöglichkeiten, einen
Begriff klar zu fassen, denn wollte man ihn fassen, so verkleidete
er sich alsbald, schlüpfte dahinein, dorthinein, verkörperte dies und
jenes, verbrüderte sich mit ferngelegenen Dingen und verband sich
mit ihnen zu tollem Reigen in immer phantastischeren Gebilden.
Das Selbstverständliche wurde zu Spuk und Zauber, die antiken
Klassiker zu Propheten und ihre Schönheitslehre wandelte sich oft
in eine Symbolik des Glaubens.
In der antiken Kunst sollte nur das Endliche dargestellt sein; die
christliche strebte danach, im Bild das Unendliche dem Verständnis
näher zu bringen. Was etwa die Griechen künstlerisch wiedergeben,
sollte treu wiedergegeben sein. So bedeuteten die Irrfahrten des
Odysseus gar nichts anderes als die Irrfahrten des Mannes, der ein
Sohn des Laertes und Gemahl der Penelope war und Odysseus
hieß. Anders in der mystischen christlichen Kunst. Da bekommen
die Irrfahrten eines Ritters esoterische Bedeutung. Sie umkleiden
die Irrfahrten des Lebens überhaupt. Wenn Homer die Rüstung
60
alttestamentarische Bibelwerk mit seinen vielen Seltsamkeiten über
die Länder der Erde gewann.
Die Menschheit vertiefte sich in das wunderbare Buch der Bücher
und dichtete daran weiter, trug neue Wunder in die alte Sagenwelt
und ergötzte sich an einem großartigen Spiel von Gleichnissen,
denn alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis. Es wurde eine be-
sondere Kunst und künstlerische Freude, mit solchem orientalischem
Rätseldeuten den Geist zu beschäftigen. Auch in der profanen
Dichtung entstammen dieser Kunst viele der schönsten und tiefsten
Schöpfungen. Sie drang mit wuchernder Kraft in Skulptur und
Malerei ein und bannte mit dem himmelstrebenden gotischen
Kirchenstil alle Geheimnisse der Welt in steinerne Formen.
XIV
Die Gewohnheit des Allegorisierens, des Komplizierens und Sub-
tilisierens beeinflußte den Zeitgeist so stark, daß jede nüchterne
Forschung überwuchert wurde — wie Urwaldstämme von allzu
üppigem Schlingkraut. Es gehörte zu den Unmöglichkeiten, einen
Begriff klar zu fassen, denn wollte man ihn fassen, so verkleidete
er sich alsbald, schlüpfte dahinein, dorthinein, verkörperte dies und
jenes, verbrüderte sich mit ferngelegenen Dingen und verband sich
mit ihnen zu tollem Reigen in immer phantastischeren Gebilden.
Das Selbstverständliche wurde zu Spuk und Zauber, die antiken
Klassiker zu Propheten und ihre Schönheitslehre wandelte sich oft
in eine Symbolik des Glaubens.
In der antiken Kunst sollte nur das Endliche dargestellt sein; die
christliche strebte danach, im Bild das Unendliche dem Verständnis
näher zu bringen. Was etwa die Griechen künstlerisch wiedergeben,
sollte treu wiedergegeben sein. So bedeuteten die Irrfahrten des
Odysseus gar nichts anderes als die Irrfahrten des Mannes, der ein
Sohn des Laertes und Gemahl der Penelope war und Odysseus
hieß. Anders in der mystischen christlichen Kunst. Da bekommen
die Irrfahrten eines Ritters esoterische Bedeutung. Sie umkleiden
die Irrfahrten des Lebens überhaupt. Wenn Homer die Rüstung
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