genialisch wird ein außerordentlich begabter Mensch genannt und
endlich räumt die Sprache dem Genie eine gewisse mystische Be-
deutung ein, die fast mit dem Dämon des Sokrates zusammenfällt,
der übersinnlichen Eingebung.
In den Staub wurde das stolz gebrauchte Wort am Ende gezerrt,
in moderner Zeit, als Lombroso in seinem Werk Genie und Wahn-
sinn das Außerordentliche einer künstlerischen Eingebung krankhafte
Überreizung der Nerven nannte.
XXIV
Das Wesen der Phantasie fand im 17. Jahrhundert gegen früher
eine wohlwollendere Gesinnung. Nach den Scholastikern eine niedere
Art des Seelenvermögens, nach Cusanus ein geringer Ausdruck der
Verstandestätigkeit, wird sie allmählich zu jener Höhe erhoben, auf
der sie ein Geschlecht von Dichtern und romantischen Philosophen
sieht. Eine Zauberin, aber gutartig, ein Fieber, das vom Wahn
befreit, nennt sie der Italiener Gravina und der Geschichtsschreiber
Muratori meint, sie sei die Schatzkammer der Intelligenz. Von den
Italienern dringt diese Anschauung in die Schweiz. Denker wie
Bodmer und Breitinger zeigen sich beeinflußt in den Discoursen
der Maler (1721) und dem Traktat über den Gebrauch der Ein-
bildungskraft, sie wirken auf Klopstock ein, dessen Schönheitssehn-
sucht, nach neuen Idealen ringend, Himmel und Erde im Flug zu
durchschweifen trachtet.
Die Macht der Phantasie wurde schon von Bacon festgestellt, der
allerdings nur der Poesie und besonders jener Poesie, die er para-
bolica nannte, eine höhere Wirkung zugestand, während die anderen
Künste nach seiner Meinung nur den Sinnen schmeicheln.
Merkwürdigerweise brachte auch England in diesen geringer ein-
geschätzten Künsten nicht Angestammtes oder Eigenartiges bis zu
seinen späteren Malerschulen, obwohl die Dichtung längst schon in
voller Blüte stand.
Hobbes studierte die besonderen Merkmale der Phantasie und hielt
sie als Schlußergebnis für eine abgeschwächte Empfindung. Addison
widmet ihr im Spectator sinnige Betrachtungen, nach denen das
eigentliche ästhetische Vergnügen aus ihrer freien Entfaltung hervor-
99
endlich räumt die Sprache dem Genie eine gewisse mystische Be-
deutung ein, die fast mit dem Dämon des Sokrates zusammenfällt,
der übersinnlichen Eingebung.
In den Staub wurde das stolz gebrauchte Wort am Ende gezerrt,
in moderner Zeit, als Lombroso in seinem Werk Genie und Wahn-
sinn das Außerordentliche einer künstlerischen Eingebung krankhafte
Überreizung der Nerven nannte.
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Das Wesen der Phantasie fand im 17. Jahrhundert gegen früher
eine wohlwollendere Gesinnung. Nach den Scholastikern eine niedere
Art des Seelenvermögens, nach Cusanus ein geringer Ausdruck der
Verstandestätigkeit, wird sie allmählich zu jener Höhe erhoben, auf
der sie ein Geschlecht von Dichtern und romantischen Philosophen
sieht. Eine Zauberin, aber gutartig, ein Fieber, das vom Wahn
befreit, nennt sie der Italiener Gravina und der Geschichtsschreiber
Muratori meint, sie sei die Schatzkammer der Intelligenz. Von den
Italienern dringt diese Anschauung in die Schweiz. Denker wie
Bodmer und Breitinger zeigen sich beeinflußt in den Discoursen
der Maler (1721) und dem Traktat über den Gebrauch der Ein-
bildungskraft, sie wirken auf Klopstock ein, dessen Schönheitssehn-
sucht, nach neuen Idealen ringend, Himmel und Erde im Flug zu
durchschweifen trachtet.
Die Macht der Phantasie wurde schon von Bacon festgestellt, der
allerdings nur der Poesie und besonders jener Poesie, die er para-
bolica nannte, eine höhere Wirkung zugestand, während die anderen
Künste nach seiner Meinung nur den Sinnen schmeicheln.
Merkwürdigerweise brachte auch England in diesen geringer ein-
geschätzten Künsten nicht Angestammtes oder Eigenartiges bis zu
seinen späteren Malerschulen, obwohl die Dichtung längst schon in
voller Blüte stand.
Hobbes studierte die besonderen Merkmale der Phantasie und hielt
sie als Schlußergebnis für eine abgeschwächte Empfindung. Addison
widmet ihr im Spectator sinnige Betrachtungen, nach denen das
eigentliche ästhetische Vergnügen aus ihrer freien Entfaltung hervor-
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