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schuf, bleiben sollte. Nach seiner Meinung mußte demzufolge Alles,
was gut und schön bleiben soll, immer schöner und besser
werden.
Wenn er gern daran erinnert, daß die Weisheit des Altertums ge-
wisse Verbote walten ließ, so heißt es nicht, die Kunst polizeilich
prüfend einzuschränken, sondern die Gesinnung, aus der jene denk-
würdigen Gesetze entflossen, habe uns ein Beispiel vernünftiger An-
schauung zu sein. Darum erzählt Lessing, die Thebaner hätten
Nachahmung in das Schönere befohlen, Nachahmung in das Häß-
lichere verboten. Weiter berichtete er, jeder olympische Sieger
habe eine in allgemeinen Zügen gehaltene Statue erhalten und erst
der dreimalige Sieger eine solche, die Bildnisähnlichkeit besaß. Denn
man wollte der mittelmäßigen Ähnlichkeitsbildwerke entraten, weil
sie nur der Eitelkeit dienen.
Den ewigen Vorzug der Alten erblickt Lessing aber darin, daß sie
keine Sache zu viel noch zu wenig tun, indes die Neueren glauben,
sich über jene hinwegzusetzen, wenn sie die kleinen Lustwege in
Landstraßen verwandeln, sollen auch die kürzeren und sicheren
Landstraßen darüber zu Pfaden eingehen, wie sie durch die Wildnis
führen.
XXXII
Simonides, der griechische Voltaire, hat als blendende Antithese den
Satz aufgestellt, daß die Malerei eine stumme Poesie, die Poesie
eine redende Malerei sei, die neuen Kunstrichter zur Zeit Lessings
(und um viel mehr jene aus unserer eigenen Zeit) haben allen Ernstes
die Dichtkunst in die engeren Schranken der Malerei gezwungen,
der Malerei das weite Reich der Dichtung (Programmkunst) zuge-
wiesen und ihre Afterkritik hat zum Teil die Virtuosen selbst ver-
führt.
Gedenken wir der Allegoristerei der Maler aus Lessings Zeit und der
neuzeitlichen Allegoristerei, die sich verschiedene Namen, auf ismus
endigend, beilegt und sogar auf dekorative Wirkung verzichtet, ge-
denken wir der breiten Schilderungssucht zeitgenössischer Schriftsteller
und des naiven Pinselns mit Worten, das unsere Generation allzugern
mit Dichten verwechselt. Doch diese Erzeugnisse wären als un-
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