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Gleichen-Rußwurm, Alexander
Die Schönheit: ein Buch der Sehnsucht — Stuttgart: Verlag Julius Hoffmann, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.65310#0150
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die schon in der Renaissance eröffnet gewesen. Besonders eifrig
geschah es in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts unter den Deut-
schen, aber auch in Frankreich, England und Italien bildeten solche
Grübeleien das Lieblingsziel philosophisch Gesinnter*). Einige selt-
same Ergebnisse möchte ich als Curiosa anführen.
Hogarth, der moralisierende Künstler, behauptet, ein untrügliches
Kriterium der Kunstschönheit gefunden zu haben. Auf dem Titel-
blatt seiner Schrift Zergliederung der Schönheit veröffentlicht er eine
über die Palette sich schlängelnde Linie mit der Erklärung: Linie
der Schönheit und behauptet in dem Buch allen Ernstes, eine Linie
der Grazien gefunden zu haben, die alles als feste Schönheitsregel
beherrsche, indem sie die Phantasie überrasche und angenehm be-
schäftige.
Unter Hogarths Einfluß steht der deutsche Forscher Platner; nach
dessen Ansicht der Begriff des Schönen von geschlechtlichen Beweg-
gründen abhängt. Alles, was erfreulich aussieht und angenehm
berührt, steht nach seiner Ansicht im Zusammenhang mit weib-
licher Schönheit oder erinnert wenigstens daran. Ähnlich führt
der Engländer Home aus, daß man nur das Zarte, Sanfte, das
keine schroffen und starken Übergänge kenne, als schön anzu-
’.prechen habe.
Diese vielfach verbreitete Ansicht, wie überhaupt das ungeheuerliche
Geschwätz über das Wesen der Schönheit, weist Voltaire in der
*) In Deutschland: Riedel 1767, Faber 1767, Schütz 1767/68, Schubart 1777,
Westenrieder 1777, König· 1784, Gang 1785, Meiners 1787, Schott 1789,
Moritz 1788, Eberhard (Meiers Nachfolger als Professor in Halle) 1783.
Das weitverbreitete Werk von J. J. Eschenburg, Handbuch der classischen
Litteratur, Altertumskunde und Mythologie, erschien 1783. Katholische
Professoren beschäftigten sich ebenso wie die protestantischen mit ästheti-
schen Fragen, so Herwigh in Würzburg, Jacobi in Freiburg. 1799 führt
eine Zeitschrift lobend an, diese neue Wissenschaft habe unter den Deutschen
die meiste Verbreitung gefunden. In Frankreich ist der vielgelesenste
Autor der Abbe Batteux (1746). Er rühmt sich, Alles auf ein Prinzip
zurückzuführen. In Italien tritt Spaletti als Widersacher Winckelmanns auf.
Unter den Engländern wirken am einflußreichsten: Hogarth (1745 und 1753),
Edmund Burke (Analysis of Beauty 1756), E. Home (1761), Gerard (1774)
und Alison (1792). (Die nur hier erwähnten Namen sind im Blattweiser
nicht aufgenommen.)
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