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Gleichen-Rußwurm, Alexander
Die Schönheit: ein Buch der Sehnsucht — Stuttgart: Verlag Julius Hoffmann, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.65310#0196
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große Kenntnis der Natur und einen ebenso sicheren Begriff von dem,
was sich vorstellen läßt und wie es vorgestellt werden muß, gehabt
als Homer. Leider ist die Anzahl der Kunstwerke der ersten Klasse
gar zu klein. Wenn man aber diese sieht, so hat man nichts zu
wünschen, als sie recht zu erkennen und dann in Frieden hinzufahren.
Diese hohen Kunstwerke sind zugleich als die höchsten Naturwerke
vom Menschen nach wahren und natürlichen Gesetzen hervorgebracht
worden. Alles Willkürliche, Eingebildete fällt zusammen; da ist
Notwendigkeit, da ist Gott.
Nach der göttlichen Notwendigkeit des Schönen richtet sich Goethes
Arbeit auf jedem Gebiet und auf sie bezieht sich jeder Gedanke,
jedes Streben mit fromm beharrlicher Treue.
Göttliche Notwendigkeit ist kein starres Gesetz, sondern ein Gebot
edelster Freiheit und nichts liegt Goethe ferner als seiner eigenen
Bewunderung zulieb, die klassische Richtung, die Nachahmung der
Antike für allein seligmachend zu erklären.
Welcher Unsterblichen
Soll der höchste Preis sein?
Mit keinem streit ich,
Aber ich geb ihn
Der ewig beweglichen
Immer neuen
Seltsamsten Tochter Jovis,
Seinem Schoßkind,
Der Phantasie.
Und daß die alte
Schwiegermutter Weisheit
Das zarte Seelchen
Ja nicht beleid’ge.
Goethe will nur das Prinzip der Ehrfurcht gewahrt wissen und im
übrigen freien Spielraum für die Schöpferkraft.
Fast hausbacken ist die Anweisung, wie sich der Mensch zu prüfen
hat, um zu erkennen, ob er zum Künstler tauge, aber ebendeshalb
auch heutigen Tages verständlich und beherzigenswert: Wieviele
Gegenstände bist du imstande so zu fassen, daß sie aus dir wieder
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