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daß er sich zum Künstler erheben müsse, um das Werk zu genießen,
er fühlt, daß er sich aus seinem zerstreuten Leben sammeln, mit dem
Kunstwerk wohnen, es wiederholt anschauen und sich selbst dadurch
eine höhere Existenz geben müsse.
Bei all diesen Ratschlägen sehen wir Schillers Ideen praktisch an-
gewendet. Der Einklang der Freunde ist offenbar.
Er wird besonders sichtbar, wenn sie in trautem Verein ihrer Em-
pörung gegen die Schänder des Schönen, gegen jene, die den
Glauben, der sie selbst beseelt, parodieren oder anpöbeln, Luft
machen, die Feinde mit den geflügelten Pfeilen ihrer Xenien ver-
folgen. Wie Shaftesbury schon gemeint, ist diese Art von Gegnern
am besten durch Lächerlichkeit aus dem Feld zu schlagen.
XLII
Auf einem wichtigen Gebiet des Schönheitsglaubens ist die Ein-
helligkeit zwischen Goethe und Schiller höchst bemerkenswert.
Beide betrachten die Frau als Führerin im Reich der Schönheit und
trauen dem gefühlten weiblichen Wissen richtiges Urteil zu, wo das
Erkennen des Mannes aufhört. Weibliche Weisheit, die eine Weis-
heit der Liebe ist, muß die Verstandesweisheit des Mannes ergänzen
und vollenden.
Wo sie nicht liebt, hat schon gerichtet das Weib. Im Reich der
Schönheit ist auch das zarte, kaum faßbare Feenreich der Schick-
lichkeit, der schönen Sitte einbegriffen. In diesem herrscht un-
umschränkt die edle Frau. — So fraget nur bei edeln Frauen an. —
Goethe erweist sich sinnig dankbar für die Förderung, die er selbst
in der Schönheit des Sittlichen erhalten, wenn er den bedeutsamen
ästhetischen Richterspruch:
Erlaubt ist, was sich ziemt
der Prinzessin im Tasso auf die Lippen legt. Dadurch verklärt er
die Strenge des Ausspruchs mit holdester Anmut.
Die Frauen in der Umgebung der Klassiker verdienten solche Hul-
digung, denn immerdar vom Häuslichen ausgehend (und wie zierlich
war diese Häuslichkeit ausgestaltet!), wirkten sie in die Welt durch
das Feenhafte, das Schönheitsfromme ihres Wesens.
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