Robert Hamerling, mit gleicher Innigkeit der großen Schönheit ge-
dacht, die der Erde nottut:
Folgt ihr dem Götzen Mammon in eurer Seele Drang,
Ich singe der ewigen Schönheit meinen Hochgesang.
Mitten in der Vermessenheit und dem Frevel der Mammonsdienerei
besann sich eine Neoromantik auf solche Worte, hatte den Mut,
sich zu ihnen zu bekennen und die Unsterblichkeit der Sehnsucht
noch einmal zu verkünden. In tiefstem Elend spendete ihr Verlaine
erhabene Verse, und in Amerika feiert sie Walt Whitman mit tiefer
Ergriffenheit. Nicht nur minnigliche Anbetung träumte mancher An-
hänger moderner Romantik. Fern davon sich in einsamer Schwärmerei
zu verzehren, wollte man noch entschiedener, als es die Sozial-
denkenden um die Mitte des Jahrhunderts getan, die Schönheit als
Erlöserin der Menschheit anrufen, in ihrem Namen sich zu Taten
aufraffen und mächtig rütteln am Häßlichen und Gemeinen.
Die Neoromantiker merkten, daß bei Armut und Einfalt der Sinn
für das Schöne noch nicht verdorben und gestorben sei. Es drang
die Überzeugung in ihr Gemüt, daß etwa ein Fabrikmädchen ordent-
lich blieb, so lange sie einen treu gewarteten Nelkenstock am Fenster
hatte und erst auf die Gasse ging, als Bosheit oder Zufall diesen
Hort zerstört. Sie stimmten nicht mit der wohltätigen Dame überein,
die sich entrüstete, als eine arme Wöchnerin, vom Tod errettet,
schmachtend um Rosen bat und von ihrem Mann mitten im Winter
wirklich die teueren Blumen erhielt. Jene Schönheitsfreunde be-
schlossen Freude zu bringen, Blumen und Musik ins Volk, denn sie
hegten den naiven Grundsatz, das Schöne mache gut, das Häßliche
schlecht.
Kunst und Volk — lange künstlich einander entfremdet, eines der
großen Verbrechen des 19. Jahrhunderts — sollten wieder zusammen-
gebracht werden. Überall entwickelten sich tastende Versuche,
Vereine, Bestrebungen aller Art, Heimatschutz, Gartenstädte, Blumen-
schmuck, Volkskonzerte, la maison du peuple, ein rührendes Be-
ginnen, ein Lenzflor von Hoffnung.
Der Weltsturm erhob sich, Lenzflor starb, eine tote Landschaft hat
sein Wüten zurückgelassen. Um nicht vom Sturm an die Felsen
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dacht, die der Erde nottut:
Folgt ihr dem Götzen Mammon in eurer Seele Drang,
Ich singe der ewigen Schönheit meinen Hochgesang.
Mitten in der Vermessenheit und dem Frevel der Mammonsdienerei
besann sich eine Neoromantik auf solche Worte, hatte den Mut,
sich zu ihnen zu bekennen und die Unsterblichkeit der Sehnsucht
noch einmal zu verkünden. In tiefstem Elend spendete ihr Verlaine
erhabene Verse, und in Amerika feiert sie Walt Whitman mit tiefer
Ergriffenheit. Nicht nur minnigliche Anbetung träumte mancher An-
hänger moderner Romantik. Fern davon sich in einsamer Schwärmerei
zu verzehren, wollte man noch entschiedener, als es die Sozial-
denkenden um die Mitte des Jahrhunderts getan, die Schönheit als
Erlöserin der Menschheit anrufen, in ihrem Namen sich zu Taten
aufraffen und mächtig rütteln am Häßlichen und Gemeinen.
Die Neoromantiker merkten, daß bei Armut und Einfalt der Sinn
für das Schöne noch nicht verdorben und gestorben sei. Es drang
die Überzeugung in ihr Gemüt, daß etwa ein Fabrikmädchen ordent-
lich blieb, so lange sie einen treu gewarteten Nelkenstock am Fenster
hatte und erst auf die Gasse ging, als Bosheit oder Zufall diesen
Hort zerstört. Sie stimmten nicht mit der wohltätigen Dame überein,
die sich entrüstete, als eine arme Wöchnerin, vom Tod errettet,
schmachtend um Rosen bat und von ihrem Mann mitten im Winter
wirklich die teueren Blumen erhielt. Jene Schönheitsfreunde be-
schlossen Freude zu bringen, Blumen und Musik ins Volk, denn sie
hegten den naiven Grundsatz, das Schöne mache gut, das Häßliche
schlecht.
Kunst und Volk — lange künstlich einander entfremdet, eines der
großen Verbrechen des 19. Jahrhunderts — sollten wieder zusammen-
gebracht werden. Überall entwickelten sich tastende Versuche,
Vereine, Bestrebungen aller Art, Heimatschutz, Gartenstädte, Blumen-
schmuck, Volkskonzerte, la maison du peuple, ein rührendes Be-
ginnen, ein Lenzflor von Hoffnung.
Der Weltsturm erhob sich, Lenzflor starb, eine tote Landschaft hat
sein Wüten zurückgelassen. Um nicht vom Sturm an die Felsen
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