zu verwerten. Selbstgerechtigkeit ist ihr verhaßt, aber die liebe-
volle Pflege des Schönen und Wertvollen in uns ist ihr durchaus lieb.
Wenn in uns selbst nichts schön und wertvoll ist, was sich zu er-
halten und zu pflegen lohnt, nach welchem Maßstab sollen wir
außerhalb des Selbst schätzen, liebhaben, erhalten und bewundern?
Schopenhauer hebt hervor, daß die antike Philosophie nichts von
Mitleid weiß. Ist es wahrscheinlich, daß jene feinen Psychologen
des Altertums eine so wichtige und folgenschwere seelische Er-
scheinung nicht kannten? Wahrscheinlich wollten sie dieselbe da-
rum nicht von ihrem allgemeinen Tugendbegriff absondern, weil
sie vor allem auf seelische Gesundheit bedacht waren und krank-
hafte Auswüchse das Mitleid bedrohen, sobald es für sich ganz
allein steht. Es blieb also inbegriffen in dem Gefühl von Sym-
pathie, Freundschaft, Wohlwollen, das dem Weisen selbstverständ-
lich war und ihn stetig ermunterte, allgemeine Glücksmöglichkeiten
zu mehren, allgemeine Leidensmöglichkeit zu mindern.
Das Leid ist so unverhältnismäßig groß und stark, daß wir, um
nicht entmutigt vor seiner Häßlichkeit zu stehen, alles, was irgend
eine Freude gewähren kann, heilig sprechen müssen und mit größter
Andacht behandeln.
Vernunftgründe helfen bekanntlich gar nichts gegen den Schmerz.
Wohl aber kann Naturschönheit, Blumenduft und Vogelsang, junges
Lachen, schöne Form und Farbe, Musik und gutes Wort siegreich
dagegen wirken.
Diese Dinge und was irgend mit ihnen zusammenhängt, sind da-
rum heilig zu sprechen und als das Wichtigste, Größte, ja Not-
wendigste im Leben zu betrachten.
Was diese Werte zerstört, haben wir Recht und Pflicht zu hassen.
Wir müssen es nach Maß unserer Kräfte bekämpfen.
Im Sinne Spinozas ist tristitia das Feindliche, laetitia das Freund-
liche, das was uns gebührt. Um laetitia zu gewinnen, müssen wir
in uns selbst jede Möglichkeit zu reiner Freude, die von der
Schönheit geheiligt ist, pflegen und behutsam warten.
Platon hat die Ekstase der Schönheitsoffenbarung ein Wiedererkennen
genannt.
Schopenhauer nennt die ihr verwandte Ekstase ersten Liebesglücks
274
volle Pflege des Schönen und Wertvollen in uns ist ihr durchaus lieb.
Wenn in uns selbst nichts schön und wertvoll ist, was sich zu er-
halten und zu pflegen lohnt, nach welchem Maßstab sollen wir
außerhalb des Selbst schätzen, liebhaben, erhalten und bewundern?
Schopenhauer hebt hervor, daß die antike Philosophie nichts von
Mitleid weiß. Ist es wahrscheinlich, daß jene feinen Psychologen
des Altertums eine so wichtige und folgenschwere seelische Er-
scheinung nicht kannten? Wahrscheinlich wollten sie dieselbe da-
rum nicht von ihrem allgemeinen Tugendbegriff absondern, weil
sie vor allem auf seelische Gesundheit bedacht waren und krank-
hafte Auswüchse das Mitleid bedrohen, sobald es für sich ganz
allein steht. Es blieb also inbegriffen in dem Gefühl von Sym-
pathie, Freundschaft, Wohlwollen, das dem Weisen selbstverständ-
lich war und ihn stetig ermunterte, allgemeine Glücksmöglichkeiten
zu mehren, allgemeine Leidensmöglichkeit zu mindern.
Das Leid ist so unverhältnismäßig groß und stark, daß wir, um
nicht entmutigt vor seiner Häßlichkeit zu stehen, alles, was irgend
eine Freude gewähren kann, heilig sprechen müssen und mit größter
Andacht behandeln.
Vernunftgründe helfen bekanntlich gar nichts gegen den Schmerz.
Wohl aber kann Naturschönheit, Blumenduft und Vogelsang, junges
Lachen, schöne Form und Farbe, Musik und gutes Wort siegreich
dagegen wirken.
Diese Dinge und was irgend mit ihnen zusammenhängt, sind da-
rum heilig zu sprechen und als das Wichtigste, Größte, ja Not-
wendigste im Leben zu betrachten.
Was diese Werte zerstört, haben wir Recht und Pflicht zu hassen.
Wir müssen es nach Maß unserer Kräfte bekämpfen.
Im Sinne Spinozas ist tristitia das Feindliche, laetitia das Freund-
liche, das was uns gebührt. Um laetitia zu gewinnen, müssen wir
in uns selbst jede Möglichkeit zu reiner Freude, die von der
Schönheit geheiligt ist, pflegen und behutsam warten.
Platon hat die Ekstase der Schönheitsoffenbarung ein Wiedererkennen
genannt.
Schopenhauer nennt die ihr verwandte Ekstase ersten Liebesglücks
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