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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (I. Teil, Band 1): Die Niederlande — Leipzig, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.12244#0103
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Die oft erwähnten Pariser Verordnungen von 1622, 1625, 1627 drücken sich hin-
sichtlich der zu verwendenden Materialien nur ganz allgemein aus. Interessanter sind
schon die Feststellungen, die Kardinal Barberini, dem die Gründung einer römischen
Manufaktur am Herzen liegt, um 1631 durch seine Beauftragten ausführen läßt (80).
Man scheint in Brüssel den kostbaren englischen und spanischen Wollen gegenüber
gewisse Zurückhaltung geübt und mehr die einheimischen Erzeugnisse aus der Gegend
von Lille, Tournai, Möns, Arras, Lüttich und dem Hennegauer Lande verarbeitet zu
haben (81). Die Pariser Manufakturen verwenden neben den englischen Fabrikaten
die Wollen aus der Auvergne, Berry, Languedoc und Poitou. Savary bringt in
seinem bekannten Dictionnaire eingehendere Angaben über die um die Mitte des
18. Jahrhunderts gehandelten Wollen. Er rühmt in erster Linie die spanischen Sorten,
die nach der Qualität sich in die Erzeugnisse von Zaragoza, Segovia, Burgos, Albarazin
und die billigere Estramadura gliedern. Eine ähnliche Aufstellung findet sich bei den
deutschen, englischen und französischen Marken. Von Interesse erscheint eine kurze
Note hinsichtlich der englischen Wollen uce sont ces Laines qu'on appelle «Laine des
Gobelins» parce qu'elles y ont teintes par ces habiles Teinturiers, qui depuis plus d'un
demisiecle y sont etablis".

Wesentlich schwieriger erscheint die Klärung der für die Bildwirkerei verwandten
Seidensorten, zumal das Material noch im 17. Jahrhundert vielfach gefärbt auf mancherlei
Umwegen vom Auslande bezogen wurde. Der Kölner Handel führt im 14. und 15. Jahr-
hundert „Talanii syden" — von der Landschaft Talisch an der Westküste des Kaspi-
schen Meeres —, die bekanntere „Metzenische Syde" — die messinische oder Morea-
seide — und eine Seidensorte „Baiana". Die russische Seide des späten hanseatischen
Handels (82) scheint mit dem ersterwähnten Erzeugnis identisch zu sein. Verfälschungen
kommen im übrigen schon im 15. Säkulum vor, wenigstens läßt die Verhandlung
zwischen Köln und Antwerpen vom Mai 1489, die sich um „valsche syden ende
valsche safferayne (Safran)" dreht, hierauf schließen (83).

Im 16. und 17. Jahrhundert übt Antwerpen einen nicht zu unterschätzenden Ein-
fluß auf den Seidenhandel aus. Das Inventar (1629) eines der führenden Kaufherrn
der Scheidemetropole erwähnt außer dem für die Bildteppiche ständig benutzten
Wollengarn, dem „fil de sayette", als beste Seidensorte die vierdrahtige Organsin (84).
Die Bezeichnung deckt sich nicht ohne weiteres mit einer bestimmten Provenienz.
Ziehen wir das Lager Daniel Fourments zum Vergleiche heran — der Schwiegervater
Rubens' unterhielt bis zu seinem Ableben, am 5. Juni 1643, in dem Hause zum „gülden
hert" in der Alten Börsenstraße einen Stapel an Wirkteppichen, Wollen und Seiden —,
so finden wir „Napelsche plassyde, cantsyde van Messine, rouw witte cantsyde" und
andere Sorten mehr. Die Hauptrolle spielt im 17. und 18. Säkulum die Santa-Lucia-
Marke, eine Organsinseide, die in erster Linie aus Messina und Mailand bezogen wurde.
Billigere Sorten lieferte Reggio und Piemont. Verhältnismäßig selten findet man die
köstlichen Seiden von Granada, die in der Bildwirkerei des 16. Jahrhunderts beson-
deres Ansehen genossen. In der Spätzeit kommen sie als Einschlag des hohen Preises
halber weniger in Betracht, dagegen dienen sie infolge der außerordentlichen Haltbar-
keit nach wie vor als Nähseide zum Verschließen der zahllosen Wandteppichschlitze.
Noch jetzt, nach vier Jahrhunderten, sitzen die Nähte vollkommen sicher. Eine weitere
gängige Seidensorte ist die „bourre", die in den Akten der Manufaktur Tournai eine
wenig erfreuliche Rolle spielt. Wurde die Organsinseide in der Hauptsache zur Er-
zielung der feinsten Nuancen, insbesondere der zarten Inkarnatschraffen der Gesichter
verwandt, so stellte die Tramseide, die geringeren Kokons entstammte, die übliche
Einschlagseide dar; sie diente zur Fertigung der ornamentierten Teile der Gewänder;
Seidenbourre schließlich füllte die größeren, wenig gegliederten Flächen. Fast jeder
Brüsseler Teppich des 16. Jahrhunderts weist die drei Sorten auf. Im übrigen ist die
Bourre des Bildteppichs nicht ohne weiteres mit dem minderwertigen Seidenabgang
zu identifizieren, der heutzutage das Hauptmaterial der Florettseidenspinnerei darstellt.
Die Gefahr der Verwendung der Seidenbourre lag in erster Linie in der Schwierig-

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