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Technik

keit der Qualitätsabgrenzung. Es handelte sich in der Regel um die mehr oder
weniger kurzen Fäden der Flockseide, die durch den Spinnprozeß erst zu brauch-
barem Material gewandelt wurden. Savary macht darauf aufmerksam, daß auch die
pergamentartigen, inneren Häutchen der Kokons, die Strusa, von weniger gewissen-
haften Kaufleuten verwandt und unter die guten Seidensorten eingeschmuggelt wurden;
doch scheint das Verfahren infolge technischer Schwierigkeiten nicht von wesentlicher
Bedeutung gewesen zu sein (85). Die verschiedenen Bourresorten des näheren zu er-
örtern führt zu weit. Das klare Auseinanderhalten der einzelnen Seidenarten wird
infolge der ständig wechselnden Bezeichnungen außerordentlich erschwert. Die Wiener
Verordnung vom 23. Juni 1432(86) spricht von „Sprengseiden, partseiden, ritterseiden,
netseiden, vinseiden, palmetseiden". Auf dem Leipziger Michelsmarkt 1537 werden
namentlich die blauen „fenedischen" (venetianischen) Seiden angepriesen (87). Der
niederländische Handel nennt „Knoopsyde, naeysyde, cantsyde", die wiederum nach
der Provenienz geschieden werden. Die deutschen Zollordnungen zu Ende des
17. Säkulums kennen u. a. die „Nehe (Näh)- und andere Seide von der Carte" (88), die
«Plisch-Seide von der Carte", die „Floretseide (Bourre)", die „Zirwisch-Seide" und die
Neapolitanische Seide. Die „Informazione" des Kardinals Barberini (1631) berichten
u. a., daß Paris die Lyoner, d. h. die eingeführten italienischen und levantinischen
Seiden, Oudenaarde die Marken von Verona benutze; die Materie wird aus leicht
verständlichen Gründen etwas nebensächlich behandelt (89).

Die Manufakturen der Barockepoche zeigen in der Regel ein wesentlich besseres
Seidengarn wie die Teppiche der voraufgegangenen Zeit. Der Grund ist unschwer
zu erkennen. Die Tournaiser und Brüsseler Behänge des 16. Säkulums sind vielfach
grobkettig; die Verwendung feiner Seiden hätte infolge der Auffüllung — Wollen-
faden = Seidenfaden — die Herstellung nicht unwesentlich verteuert. Man findet in den
gröberen Arbeiten der Renaissance verhältnismäßig viel Seidenbourre, von den Erzeug-
nissen der kleinen Manufakturen ganz zu schweigen. Die Erhaltung läßt entsprechend
zu wünschen übrig; die Lockerung der Verbindung mit dem Kettfach hat allzuoft,
zumal wenn Schmutz lange Zeit seine verhärtende Wirkung ausübte, zur Vernichtung
ganzer Behangteile geführt.

Mit der feineren Kette des 17. Säkulums, die in den Qualitätsateliers Regel wurde,
fiel die starke Aufhöhung fort. Die Kontrolle der verwandten Seidensorten wird
schärfer gehandhabt; die zeitgenössischen Verträge geben beredtes Zeugnis; eine Ver-
besserung der Güte ist unverkennbar. Im 18. Jahrhundert verarbeitet man in der
Bildwirkerei außer den orientalischen und italienischen Seiden auch französische Er-
zeugnisse. In erster Linie kommen die Seiden von Languedoc, aus der Dauphin^ und
der Province in Frage; die Lyoner Seide war kein einheimisches Produkt, sondern
Importware. Die Levanteseide gliederte sich in die Qualitäten von Tripolis, Aleppo,
Cypern und die Sorten des griechischen Archipels. Die Vermittlung der persischen
Ware, der Sourbastis-, Legis-, Ardassines- und Ardassesseiden ging über Smyrna. Sie
spielt in der Bildwirkerei, wie auch die indische, chinesische und japanische Seide,
nur eine untergeordnete Rolle; in erster Linie werden diese kostbaren Materialien zur
Herstellung von Modestoffen benutzt. Im übrigen geben die französischen und nieder-
ländischen Zolltarife ausreichenden Aufschluß über die schier unzähligen Seidensorten
des Handels.

Der Metallfaden findet bei der Besprechung der Einzelmanufakturen mehrfach Er-
wähnung. Eingehendere Erörterungen der verschiedenartigen Gold- und Silberfäden
bringen u. a. Friedrich Fischbach in der Geschichte der Textilkunst und Otto
von Falke in der Kunstgeschichte der Seidenweberei (90). Die in den Wandteppichen
verwandten Goldfäden sind silbervergoldete, auf gelbe Seidenseeien aufgesponnene
dünne Streifen; entsprechend erhält bei Silber die Seele eine weiße Farbe. Die Unter-
suchungen Gerspachs sind nicht ohne Interesse. Die Goldfäden aus einem Behänge
der bekannten Le Brunschen Folge der Geschichte Ludwigs XIV. ergaben auf 494 Ein-
heiten folgende Analyse:

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