Deutung
scheint, die besprochene Art einer bestimmten Manufaktur zuzuweisen, zeigen die groß-
blättrigen \erdüren mit der Signierung vonGrammont und die interessanten Teppiche des
Leydener Ateliers des de Raet (Abb. 510). Im übrigen kommt der vollentwickelte, die
ganze Fläche füllende, großblättrige Teppich gleichzeitig mit den Abarten vor, die das
Blattwerk auf einen Teil des Feldes beschränken.
Die Besprechung der französischen Manufakturen gehört nicht in das Gebiet des
vorliegenden Bandes. Zur Klarstellung des Themas dürften einige kurze Andeutungen
genügen.
Ziehen wir die alten Inventare zu Rate, so finden wir auf dem Schlosse de la Motte-
Feuilly, dem Witwensitze Charlottes d'Albret, der Herzogin von Yalentinois und Witwe
des Cesare Borgia, im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts eine Unzahl von Verdüren
aus Felletin, dem französischen Oudenaarde seiner Zeit. Die meisten Stücke arbeiten
noch nach dem Prinzip des gothischen Gartenteppichs. Aus dem ein- oder mehr-
farbigen Grunde wachsen die blühenden Pflanzenbüschel der Liebeswiese. Der Gat-
tung gehören verschiedene Behänge des am 12. Mai 1514 aufgestellten Inventars an (217):
„502 — Une autre piece de tapicerie de Feulletin ä menue verdure sur bandes rouges,
blanches et vert brune"; 501 — Une piece de tappicerie de Feulletin de menue feuillage
en champ dore".
Die „feuillage renverse d'Auvergne", die großblättrige Verdüre, scheint etwas später
aufgekommen zu sein.
Auch Oudenaarder Arbeiten finden sich auf den Schlössern Frankreichs. So nennt
das Inventar von Montmirel noch 1688: sieben Wandteppiche „d'Oudenarde, de feuil-
lage renverses". Ohne Benennung der Manufakturen werden angeführt „une Chasse
de lion ä feuillages renverseV*, ferner sechs Teppiche „dont trois de chasses et deux
de feuillages renverseV\
1524 wird auf Schloß Bar die Geburt des Prinzen Nikolaus feierlich begangen (218).
In dem Zimmer „de ma souveraine gisante" hängen „certains tapis faicts ä fleurettes
de divers pensemens et chardons (Disteln) de fils d'or et d'argent avec forces branches
de palmes, parmi lesquelles nous est reprösent^e victoire acquise et continuelle aussy
chätaniers picquans sur la devise de la bonne et notable royne de Sicile, sceur Philippe
de Gueldres..Die letztere Angabe — die Königin von Sizilien hatte sich in das
Kloster der Klarissinen von Pont-ä-Mousson schon vor geraumer Zeit zurückgezogen —
legt den Gedanken nahe, die Distelverdüre nach Art der mittelalterlichen Lösung auf-
zufassen; hingestreute Zweige und Devisen decken den farbigen Grund. 1537 erwähnt
das Kircheninventar der Kathedrale von Bourges sieben „pieces de tapisserie de ver-
dure ä grands feuillages" als Geschenk des Mgr. Vialard (219).
Unzweideutig drückt sich das Schloßinventar von Saumur (20. X. 1615) aus (220).
In der „Salle d'honneur" hingen zehn ältere Teppiche mit „fontaines", ferner acht
„tapisseries de la Marche (d.h. aus der Marche: Aubusson oder Felletin)(221) avec
grands feuillages et bestes sauvages". Im Zimmer der Schloßherrin werden acht
weitere Teppiche „de la Marche, ä grands feuillages, avec fleurs" erwähnt. Schließlich
findet sich die französische Gattung der großblättrigen Verdüren in dem Inventar-
verzeichnisse des Gabriel Constantin, des Herrn de Yarennes et de la Lorie (f 22.1.
1683) (222). Die Familie stand in enger Beziehung zu der Stadt Angers. In dem
Sterbehause der Straße Croix-Blanche hing „une tapisserie de feuillage renverse d'Au-
vergne", die aus zehn Teppichen bestand und mit der Summe von 400 Livres ein-
geschätzt wurde. Es kann nur eine grobe oder eine alte, schon abgenutzte Reihe
gewesen sein; die flämische Folge von acht Behängen auf Schloß La Lorie wurde
nach dem Tode der Witwe (1700) mit 900 Livres bewertet.
Daß die Inventaraufsteller sehr wohl zwischen den großblättrigen Tapisserien aus
der Marche und den flämischen Erzeugnissen unterscheiden konnten, illustriert der
Nachlaß Claude Gouffiers, des Herzogs von Roannes, der den Titel eines Großmarschalls
von Frankreich führte (223). Die Teppiche kamen Ende September 1572 in Paris
unter den Hammer und erzielten nur mäßige Preise. Gut und klar ist die Beschrei-
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scheint, die besprochene Art einer bestimmten Manufaktur zuzuweisen, zeigen die groß-
blättrigen \erdüren mit der Signierung vonGrammont und die interessanten Teppiche des
Leydener Ateliers des de Raet (Abb. 510). Im übrigen kommt der vollentwickelte, die
ganze Fläche füllende, großblättrige Teppich gleichzeitig mit den Abarten vor, die das
Blattwerk auf einen Teil des Feldes beschränken.
Die Besprechung der französischen Manufakturen gehört nicht in das Gebiet des
vorliegenden Bandes. Zur Klarstellung des Themas dürften einige kurze Andeutungen
genügen.
Ziehen wir die alten Inventare zu Rate, so finden wir auf dem Schlosse de la Motte-
Feuilly, dem Witwensitze Charlottes d'Albret, der Herzogin von Yalentinois und Witwe
des Cesare Borgia, im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts eine Unzahl von Verdüren
aus Felletin, dem französischen Oudenaarde seiner Zeit. Die meisten Stücke arbeiten
noch nach dem Prinzip des gothischen Gartenteppichs. Aus dem ein- oder mehr-
farbigen Grunde wachsen die blühenden Pflanzenbüschel der Liebeswiese. Der Gat-
tung gehören verschiedene Behänge des am 12. Mai 1514 aufgestellten Inventars an (217):
„502 — Une autre piece de tapicerie de Feulletin ä menue verdure sur bandes rouges,
blanches et vert brune"; 501 — Une piece de tappicerie de Feulletin de menue feuillage
en champ dore".
Die „feuillage renverse d'Auvergne", die großblättrige Verdüre, scheint etwas später
aufgekommen zu sein.
Auch Oudenaarder Arbeiten finden sich auf den Schlössern Frankreichs. So nennt
das Inventar von Montmirel noch 1688: sieben Wandteppiche „d'Oudenarde, de feuil-
lage renverses". Ohne Benennung der Manufakturen werden angeführt „une Chasse
de lion ä feuillages renverseV*, ferner sechs Teppiche „dont trois de chasses et deux
de feuillages renverseV\
1524 wird auf Schloß Bar die Geburt des Prinzen Nikolaus feierlich begangen (218).
In dem Zimmer „de ma souveraine gisante" hängen „certains tapis faicts ä fleurettes
de divers pensemens et chardons (Disteln) de fils d'or et d'argent avec forces branches
de palmes, parmi lesquelles nous est reprösent^e victoire acquise et continuelle aussy
chätaniers picquans sur la devise de la bonne et notable royne de Sicile, sceur Philippe
de Gueldres..Die letztere Angabe — die Königin von Sizilien hatte sich in das
Kloster der Klarissinen von Pont-ä-Mousson schon vor geraumer Zeit zurückgezogen —
legt den Gedanken nahe, die Distelverdüre nach Art der mittelalterlichen Lösung auf-
zufassen; hingestreute Zweige und Devisen decken den farbigen Grund. 1537 erwähnt
das Kircheninventar der Kathedrale von Bourges sieben „pieces de tapisserie de ver-
dure ä grands feuillages" als Geschenk des Mgr. Vialard (219).
Unzweideutig drückt sich das Schloßinventar von Saumur (20. X. 1615) aus (220).
In der „Salle d'honneur" hingen zehn ältere Teppiche mit „fontaines", ferner acht
„tapisseries de la Marche (d.h. aus der Marche: Aubusson oder Felletin)(221) avec
grands feuillages et bestes sauvages". Im Zimmer der Schloßherrin werden acht
weitere Teppiche „de la Marche, ä grands feuillages, avec fleurs" erwähnt. Schließlich
findet sich die französische Gattung der großblättrigen Verdüren in dem Inventar-
verzeichnisse des Gabriel Constantin, des Herrn de Yarennes et de la Lorie (f 22.1.
1683) (222). Die Familie stand in enger Beziehung zu der Stadt Angers. In dem
Sterbehause der Straße Croix-Blanche hing „une tapisserie de feuillage renverse d'Au-
vergne", die aus zehn Teppichen bestand und mit der Summe von 400 Livres ein-
geschätzt wurde. Es kann nur eine grobe oder eine alte, schon abgenutzte Reihe
gewesen sein; die flämische Folge von acht Behängen auf Schloß La Lorie wurde
nach dem Tode der Witwe (1700) mit 900 Livres bewertet.
Daß die Inventaraufsteller sehr wohl zwischen den großblättrigen Tapisserien aus
der Marche und den flämischen Erzeugnissen unterscheiden konnten, illustriert der
Nachlaß Claude Gouffiers, des Herzogs von Roannes, der den Titel eines Großmarschalls
von Frankreich führte (223). Die Teppiche kamen Ende September 1572 in Paris
unter den Hammer und erzielten nur mäßige Preise. Gut und klar ist die Beschrei-
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