Deutung
bung: «Item, huict pieces de tapisserie de Flandres, neufves, ä feuillages d'eaue,
en milieu desquelles y a des lions, liepvres et aultres bestes; les bordures et colonnes
de trois aulnes demy-quart de hault." Die Angabe gibt einwandfrei die Schilderung
der uns bekannten flämischen Gattung. Kurz zuvor findet sich eine Folge von acht
Stück ude tapisserye de troy aulnes de haut ou environ, ä grands feuillages d'eaue,
sur lesquelles sont rapportöes des espöes et ceintures semes de fleurs de Iis dor, des
armoyries et devises dudict sieur deffunet, contenant 69 aulnes". Eine Manufaktur-
angabe fehlt, der Mangel läßt bei dem sonst genauen Inventar auf ein einheimisches
Atelier schließen. Man ist im ersten Augenblick geneigt, an Brüsseler Verdüren in der
Art der Wappenteppiche Karls V. zu denken. Die Behänge des verstorbenen Herzogs
zeigen jedoch großblättrige Wasserpflanzen und vor allem sind Wappen und Devisen
nicht einheitlich gefaßt, sondern willkürlich auf die Fläche gelegt.
Ein Wirkereifragment ähnlicher Art kam 1913 auf der Genter retrospektiven Aus-
stellung zum Vorschein. Das zurückgeschlagene Pflanzenwerk trägt Rosen- und Mar-
gueritenblüten; zwei Wappenschilder — eine Hand faßt aus den Wolken eine nicht
näher zu definierende Pflanze — und der Wahlspruch „Quand Dieu vouldra" sind
über die Fläche gestreut. Die Bordüre besteht aus laufenden Ranken. Das Fragment,
dem städtischen Hospital zu Löwen gehörig, macht einen stark archaistischen Eindruck,
gehört aber wahrscheinlich erst dem Ausgange des zweiten Drittels des 16. Jahrhunderts
an. Die gleiche Ausstellung brachte eine der typischen großblättrigen, flämischen Ver-
düren mit Hirsch und Fuchs.
Schließlich ist noch einer Verdürengattung zu gedenken, die in Nachahmung der
Antike das Akanthusrankenwerk verwertet. Der Patronenmaler benutzte wahrschein-
lich italienische Stich vorlagen, die er je nach Teppichgröße, dem Wunsche des Be-
stellers entsprechend, ummodelte. Ein gutes Exemplar besitzt das Kaiser-Friedrich-
Museum zu Berlin. Aus mächtigem Stamme verzweigen sich vollkommen symmetrisch
Akanthusranken, die seltsame Blüten tragen; die aus den Bordüren der gleichzeitigen
Personenteppiche bekannten bunten Vögel beleben die Darstellung.
Die durch Le Nötre und seine Schule angeregten neuen Gedanken bleiben natur-
gemäß nicht ohne starken Einfluß auf die Gartenteppiche. Die reinen Gartendarstel-
lungen, die die Anlagen um ihrer selbst willen bringen, hören mit dem Ende des
16. Jahrhunderts auf. Garten und Wald dienen als wirkungsvoller Hintergrund, als
Kulisse. Trotzdem sind die Einzelheiten exakt und klar durchdacht. Die Vorliebe für
kleine Figuren — im Gegensatze zu den monumentalen Gestalten der Renaissance —
schließt ein Erdrücken des Gartenprospektes aus. Wir haben den Eindruck, als wenn
die Geschichte des rasenden Roland, die Episoden aus Guarinis wll Pastor Fido" oder
Tassos „Aminta" in wohlgepflegten, fürstlichen Gärten in Szene gehen. Es ist nicht
zu verkennen, daß der durch italienisierendes Grottenwerk belebte französische
Garten eine außerordentlich stimmungsvolle Staffage für Personendarstellungen in der
Art Mignards und der ihm verwandten Meister abgibt. Eine Schäferszene ist zweifel-
los an dem Kreuzungspunkte der beiden mächtigen Hauptkanäle mit ihren prächtigen
architektonischen Motiven leichter aufzubauen, wie in dem Liebesgärtlein der alten
Zeit.
Zum Verständnis der Darstellungen ist eine, wenn auch nur oberflächliche Aus-
einandersetzung mit dem neuen Gartenideal, das in der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts zur absoluten Herrschaft gelangt, von Wert.
Italien verschmilzt in der Renaissance- und Barockepoche Garten und Haus, zu einem
einheitlichen Ganzen. Selbständige Gartenteile werden ein Unding. Eine große Mittel-
achse, die strengste Symmetrie, beherrschen die Gesamtanlage. Der Garten erhält durch
reiche Terrassen einen monumentalen Zug, der durch die weitausladenden Treppen
und Rampen verstärkt wird. Dem Auge bietet die Architekturgrotte mit ihren Wasser-
künsten Abschluß- und Ruhepunkt. Der italienische Garten hat nie seine volle Herr-
schaft in den nördlichen Grenzbezirken Frankreichs, geschweige denn in den Nieder-
landen und Deutschland antreten können. Das großzügige Zusammenfassen von Haus
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bung: «Item, huict pieces de tapisserie de Flandres, neufves, ä feuillages d'eaue,
en milieu desquelles y a des lions, liepvres et aultres bestes; les bordures et colonnes
de trois aulnes demy-quart de hault." Die Angabe gibt einwandfrei die Schilderung
der uns bekannten flämischen Gattung. Kurz zuvor findet sich eine Folge von acht
Stück ude tapisserye de troy aulnes de haut ou environ, ä grands feuillages d'eaue,
sur lesquelles sont rapportöes des espöes et ceintures semes de fleurs de Iis dor, des
armoyries et devises dudict sieur deffunet, contenant 69 aulnes". Eine Manufaktur-
angabe fehlt, der Mangel läßt bei dem sonst genauen Inventar auf ein einheimisches
Atelier schließen. Man ist im ersten Augenblick geneigt, an Brüsseler Verdüren in der
Art der Wappenteppiche Karls V. zu denken. Die Behänge des verstorbenen Herzogs
zeigen jedoch großblättrige Wasserpflanzen und vor allem sind Wappen und Devisen
nicht einheitlich gefaßt, sondern willkürlich auf die Fläche gelegt.
Ein Wirkereifragment ähnlicher Art kam 1913 auf der Genter retrospektiven Aus-
stellung zum Vorschein. Das zurückgeschlagene Pflanzenwerk trägt Rosen- und Mar-
gueritenblüten; zwei Wappenschilder — eine Hand faßt aus den Wolken eine nicht
näher zu definierende Pflanze — und der Wahlspruch „Quand Dieu vouldra" sind
über die Fläche gestreut. Die Bordüre besteht aus laufenden Ranken. Das Fragment,
dem städtischen Hospital zu Löwen gehörig, macht einen stark archaistischen Eindruck,
gehört aber wahrscheinlich erst dem Ausgange des zweiten Drittels des 16. Jahrhunderts
an. Die gleiche Ausstellung brachte eine der typischen großblättrigen, flämischen Ver-
düren mit Hirsch und Fuchs.
Schließlich ist noch einer Verdürengattung zu gedenken, die in Nachahmung der
Antike das Akanthusrankenwerk verwertet. Der Patronenmaler benutzte wahrschein-
lich italienische Stich vorlagen, die er je nach Teppichgröße, dem Wunsche des Be-
stellers entsprechend, ummodelte. Ein gutes Exemplar besitzt das Kaiser-Friedrich-
Museum zu Berlin. Aus mächtigem Stamme verzweigen sich vollkommen symmetrisch
Akanthusranken, die seltsame Blüten tragen; die aus den Bordüren der gleichzeitigen
Personenteppiche bekannten bunten Vögel beleben die Darstellung.
Die durch Le Nötre und seine Schule angeregten neuen Gedanken bleiben natur-
gemäß nicht ohne starken Einfluß auf die Gartenteppiche. Die reinen Gartendarstel-
lungen, die die Anlagen um ihrer selbst willen bringen, hören mit dem Ende des
16. Jahrhunderts auf. Garten und Wald dienen als wirkungsvoller Hintergrund, als
Kulisse. Trotzdem sind die Einzelheiten exakt und klar durchdacht. Die Vorliebe für
kleine Figuren — im Gegensatze zu den monumentalen Gestalten der Renaissance —
schließt ein Erdrücken des Gartenprospektes aus. Wir haben den Eindruck, als wenn
die Geschichte des rasenden Roland, die Episoden aus Guarinis wll Pastor Fido" oder
Tassos „Aminta" in wohlgepflegten, fürstlichen Gärten in Szene gehen. Es ist nicht
zu verkennen, daß der durch italienisierendes Grottenwerk belebte französische
Garten eine außerordentlich stimmungsvolle Staffage für Personendarstellungen in der
Art Mignards und der ihm verwandten Meister abgibt. Eine Schäferszene ist zweifel-
los an dem Kreuzungspunkte der beiden mächtigen Hauptkanäle mit ihren prächtigen
architektonischen Motiven leichter aufzubauen, wie in dem Liebesgärtlein der alten
Zeit.
Zum Verständnis der Darstellungen ist eine, wenn auch nur oberflächliche Aus-
einandersetzung mit dem neuen Gartenideal, das in der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts zur absoluten Herrschaft gelangt, von Wert.
Italien verschmilzt in der Renaissance- und Barockepoche Garten und Haus, zu einem
einheitlichen Ganzen. Selbständige Gartenteile werden ein Unding. Eine große Mittel-
achse, die strengste Symmetrie, beherrschen die Gesamtanlage. Der Garten erhält durch
reiche Terrassen einen monumentalen Zug, der durch die weitausladenden Treppen
und Rampen verstärkt wird. Dem Auge bietet die Architekturgrotte mit ihren Wasser-
künsten Abschluß- und Ruhepunkt. Der italienische Garten hat nie seine volle Herr-
schaft in den nördlichen Grenzbezirken Frankreichs, geschweige denn in den Nieder-
landen und Deutschland antreten können. Das großzügige Zusammenfassen von Haus
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