Deutung
und Garten findet in dem Geiste des Nordens wenig Verständnis. Die Statue wird
zum ausgeklügelten Sinnbild, der antikisierende Gartenschmuck zur grotesken Zier.
Bereits um 1550 wird in Frankreich der Grottenliebhaberei mit Leidenschaft gehuldigt,
Sie schafft trotz mancher Übertreibungen ihr Gutes. Es sei nur an die der Natur
abgelauschten Schöpfungen des Bernard Palissy erinnert, der für den Herzog von
Montmorency die Grotte des Schlosses Ecouen ausstattet. Noch berühmter ist die
Anlage von Meudon. In ähnlicher Weise, wie später das Naturtheater, dient die Grotte
als malerischer Hintergrund für Schäferspiele und empfindsame Stücke in der Art der
Asträa.
Eine zweite wesentliche Neuerung, die der italienische Gartenstil den nördlichen
Ländern bringt, ist die Parterreauflösung der durch den Kreuzweg viergeteilten
Renaissancebeete. Das architektonische Motiv bleibt zunächst unverändert; das Beet
selbst wird neuzeitlich ausgestattet. Die Zauneinfassung weicht der Buchsbordüre,
die Beete verlieren die geometrische Musterung Du Cerceaus. Die viergeteilte Fläche
wird mit einem einheitlichen Stickereimotiv übersponnen, das die trennende Wirkung
der Kreuzwege aufhebt. Die neue Art hält zu Ende des 16. Jahrhunderts in Frank-
reich ihren sieghaften Einzug. Von den „compartiments de broderie" mit den zierlich
verschlungenen Arabesken und Ranken zu den genial komponierten Parterres Le Nötres
ist nur ein Schritt,
Die Entwicklung endet in dem streng axial durchgeführten, symmetrisch angelegten
französischen Repräsentationsgarten, der den größten Wert auf einen klar durchdachten,
einheitlichen Gedanken legt, der sich übersichtlich wie ein aufgerollter Teppich, dem
Auge des Beschauers von der Höhe der Schloßterrasse aus darbietet. Die Parterres,
Grotten, Kanalanlagen, ordnen sich dem großen Hauptprinzip unter. Die Selbständig-
keit der einzelnen Gartenteile erlischt,
1661 gibt der, noch auf dem Zenith des Glückes stehende Fouquet in seinem neu-
erbauten Schlosse Vaux-le-Vicomte, das auch eine zahlreiche Teppichwirkerkolonie
birgt, zu Ehren der Gemahlin des königlichen Bruders, des Herzogs von Orleans, ein
farbenprächtiges Fest. Molieres Truppe spielt „L'6cole des maries". Bei dem Besuche
Ludwigs XIV. gehen im Gartentheater uLes facheux^ in Szene. Le Brun selbst ent-
wirft die Dekorationen; Giacomo Terelli leitet das Ballett. Eine Beauvaisfolge der
Sammlung Kann (224) bringt nach Entwürfen Oudrys (1732) Szenen aus den Moliere-
schen Komödien. Die reizende Episode zwischen Isabella, dem betrogenen Gatten
und dem Liebhaber (225) spielt vor einem Gartenkasino. Ähnlich posieren Lucile,
firaste, Groß-Rene und Marinette in dem Behänge, der dem uDepit amoureux" ge-
widmet ist, vor einem zierlichen Pavillon; rechts winkt der Laubengang, links blüht
der Rosenstrauch. Selbst die Episode aus dem «Malade imaginaire", die natur-
gemäß in das Zimmer verlegt w7erden muß, eröffnet durch die Tür den Ausblick
auf die Grotte mit den reich sprudelnden Wasserkünsten. Ein Aubussonteppich des
18. Jahrhunderts, der am 19. Mai 1914 in Paris zur Versteigerung kam, zeigt ein
regelrechtes Gartentheater, auf dem ein orientalisches Stück zur Aufführung gelangt.
Die Zuschauer sitzen in Gruppen auf Baumstämmen. Ein Sonnensegel schützt die
erhöhte Bühne vor blendendem Lichte.
Besondere Aufmerksamkeit schenkt die Kunst Le Nötres den Wasseranlagen des
fürstlichen Gartens. Der alte Wallgraben, die die Einzelgärten umspülenden Stränge
sind verbannt. Das W^asserparterre mit seinem vielfältigen Figurenschmuck, die
Wasserkünste und Kanalanlagen ordnen sich der architektonischen Achse ein und
geben der stilvollen, auf die Dauer ermüdenden Eigenart des französischen Gartens
Leben und Bewegung. Der 1650 Meter lange Hauptkanal verläuft in Versailles, dem
Vorbild so vieler französischer und deutscher Schloßgärten, in der Mittelachse; er
wird von einem Querstrang senkrecht durchschnitten. Ein Vergleich des Stiches von
Le Pautre, der den Übersichtsplan von Versailles bringt, mit dem eingangs erwähnten
Teppich zeigt, wenn auch in wesentlich bescheidenerem Rahmen, die Nachahmung des
von dem Sonnenkönig geschaffenen Residenzgartens.
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und Garten findet in dem Geiste des Nordens wenig Verständnis. Die Statue wird
zum ausgeklügelten Sinnbild, der antikisierende Gartenschmuck zur grotesken Zier.
Bereits um 1550 wird in Frankreich der Grottenliebhaberei mit Leidenschaft gehuldigt,
Sie schafft trotz mancher Übertreibungen ihr Gutes. Es sei nur an die der Natur
abgelauschten Schöpfungen des Bernard Palissy erinnert, der für den Herzog von
Montmorency die Grotte des Schlosses Ecouen ausstattet. Noch berühmter ist die
Anlage von Meudon. In ähnlicher Weise, wie später das Naturtheater, dient die Grotte
als malerischer Hintergrund für Schäferspiele und empfindsame Stücke in der Art der
Asträa.
Eine zweite wesentliche Neuerung, die der italienische Gartenstil den nördlichen
Ländern bringt, ist die Parterreauflösung der durch den Kreuzweg viergeteilten
Renaissancebeete. Das architektonische Motiv bleibt zunächst unverändert; das Beet
selbst wird neuzeitlich ausgestattet. Die Zauneinfassung weicht der Buchsbordüre,
die Beete verlieren die geometrische Musterung Du Cerceaus. Die viergeteilte Fläche
wird mit einem einheitlichen Stickereimotiv übersponnen, das die trennende Wirkung
der Kreuzwege aufhebt. Die neue Art hält zu Ende des 16. Jahrhunderts in Frank-
reich ihren sieghaften Einzug. Von den „compartiments de broderie" mit den zierlich
verschlungenen Arabesken und Ranken zu den genial komponierten Parterres Le Nötres
ist nur ein Schritt,
Die Entwicklung endet in dem streng axial durchgeführten, symmetrisch angelegten
französischen Repräsentationsgarten, der den größten Wert auf einen klar durchdachten,
einheitlichen Gedanken legt, der sich übersichtlich wie ein aufgerollter Teppich, dem
Auge des Beschauers von der Höhe der Schloßterrasse aus darbietet. Die Parterres,
Grotten, Kanalanlagen, ordnen sich dem großen Hauptprinzip unter. Die Selbständig-
keit der einzelnen Gartenteile erlischt,
1661 gibt der, noch auf dem Zenith des Glückes stehende Fouquet in seinem neu-
erbauten Schlosse Vaux-le-Vicomte, das auch eine zahlreiche Teppichwirkerkolonie
birgt, zu Ehren der Gemahlin des königlichen Bruders, des Herzogs von Orleans, ein
farbenprächtiges Fest. Molieres Truppe spielt „L'6cole des maries". Bei dem Besuche
Ludwigs XIV. gehen im Gartentheater uLes facheux^ in Szene. Le Brun selbst ent-
wirft die Dekorationen; Giacomo Terelli leitet das Ballett. Eine Beauvaisfolge der
Sammlung Kann (224) bringt nach Entwürfen Oudrys (1732) Szenen aus den Moliere-
schen Komödien. Die reizende Episode zwischen Isabella, dem betrogenen Gatten
und dem Liebhaber (225) spielt vor einem Gartenkasino. Ähnlich posieren Lucile,
firaste, Groß-Rene und Marinette in dem Behänge, der dem uDepit amoureux" ge-
widmet ist, vor einem zierlichen Pavillon; rechts winkt der Laubengang, links blüht
der Rosenstrauch. Selbst die Episode aus dem «Malade imaginaire", die natur-
gemäß in das Zimmer verlegt w7erden muß, eröffnet durch die Tür den Ausblick
auf die Grotte mit den reich sprudelnden Wasserkünsten. Ein Aubussonteppich des
18. Jahrhunderts, der am 19. Mai 1914 in Paris zur Versteigerung kam, zeigt ein
regelrechtes Gartentheater, auf dem ein orientalisches Stück zur Aufführung gelangt.
Die Zuschauer sitzen in Gruppen auf Baumstämmen. Ein Sonnensegel schützt die
erhöhte Bühne vor blendendem Lichte.
Besondere Aufmerksamkeit schenkt die Kunst Le Nötres den Wasseranlagen des
fürstlichen Gartens. Der alte Wallgraben, die die Einzelgärten umspülenden Stränge
sind verbannt. Das W^asserparterre mit seinem vielfältigen Figurenschmuck, die
Wasserkünste und Kanalanlagen ordnen sich der architektonischen Achse ein und
geben der stilvollen, auf die Dauer ermüdenden Eigenart des französischen Gartens
Leben und Bewegung. Der 1650 Meter lange Hauptkanal verläuft in Versailles, dem
Vorbild so vieler französischer und deutscher Schloßgärten, in der Mittelachse; er
wird von einem Querstrang senkrecht durchschnitten. Ein Vergleich des Stiches von
Le Pautre, der den Übersichtsplan von Versailles bringt, mit dem eingangs erwähnten
Teppich zeigt, wenn auch in wesentlich bescheidenerem Rahmen, die Nachahmung des
von dem Sonnenkönig geschaffenen Residenzgartens.
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