Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (I. Teil, Band 1): Die Niederlande — Leipzig, 1923

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.12244#0504
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Antwerpen

„von Hercule" sind verschwunden, dagegen haben sich die 13 Behänge der Stärke
des Herkules (ehemaliges Krongut) und die zehn Fensterstücke (Nationalmuseum Mün-
chen) erhalten. Beide Reihen entstammen, entsprechend ihrer Signierung, der Ant-
werpener Manufaktur des Michel de Bos, der augenscheinlich gemeinsam mit Lorenz
und Daniel (de) Bos, die am 5. Februar 1584 im Request Boeck (fol° 199) Erwähnung
finden, einen umfangreichen Werkstättenbetrieb unterhielt. Die Stadtmarke — ein
plumper Torturm mit zwei Händen — erscheint mehrfach in der Wirkkante. Riesige,
weißgraue Figuren, — die Schatten arbeiten in graubraunen Tönen — ragen monu-
mental aus blauem Grunde (Abb. 433). Als Patronenzeichner dürfte ein in München
ansässiger Künstler in Frage kommen, dem die Bildwirkertechnik wenig geläufig war.
Der eintönige Hintergrund, die durch Pflanzenwerk kaum gegliederte Vorderbühne,
sprechen nicht gerade von sonderlicher Routine. Noch stärker charakterisiert sich die
Tatsache in der Lösung der Bordüre. In italienisierendem Rankenwerk tummeln sich
die seltsam verzerrten Fabeltiere zeitgenössischer Buchmaler.

Die Höhen wechseln zwischen 5,05 und 5,20 m. Der Kampf des Helden mit dem
Centauren Nessus, das gewaltigste Stück der Serie, mißt in der Länge nicht weniger
als 8,30 m. Die übrigen Behänge variieren in der Breite zwischen 4,14 und 5,70 m.
Herkules erwürgt als Kind die Schlangen der Hera, erschlägt den nemeischen Löwen,
tötet die lernäische Schlange, verwundet Cheiron, erlegt die stymphalischen Vögel,
erbeutet die Stuten des Diomedes, erdrückt den Antaios, überwältigt den Drachen am
Baume der Hesperiden, trifft mit Atlas zusammen, holt den Kerberos aus der Unter-
welt, besiegt den in einen Stier verwandelten Flußgott Acheloos und pflanzt die Säulen
des Herakles. Die Fensterteppiche zeigen in grober Wolle auf blauem Grunde die
von einem Löwen gehaltenen Wappenschilder von Bayern und Österreich; die Gattin
Herzog Albrechts war eine Tochter Kaiser Ferdinands I. Rankenwerk endet in Tier-
köpfen, sphinxartige Gebilde flankieren das Motiv; ein einfacher Eierstab dient als Fassung
(Abb. 434). Der Entwurf stammt zweifellos von dem Bordürenzeichner der großen
Stücke. IDie Abmessungen unterliegen ziemlichen Schwankungen, sie betragen im
Mittel 0,84:3,08 m. Die Herstellungszeit fällt in das Jahr 1567. Marx Fugger berichtet
am 14. Juli 1566 aus Augsburg seinem herzoglichen Auftraggeber, er habe die zwölf
Patronen empfangen, ehe er sie aber nach Antwerpen weitergebe, erscheine es ange-
bracht, die Vorlagen ummalen zu lassen, die Wappen kämen im Wirkteppich un-
richtig zur Wiedergabe. Der Passus läßt unschwer auf Basselissetechnik schließen.

Im übrigen kommen signierte Antwerpener Teppiche der Renaissance nicht allzu
häufig vor. Zu der Brüsseler Ausstellung von 1880 (19) lieh u. a. der bekannte Sammler
Braquenie" einen Antwerpener Behang. Möglicherweise handelt es sich um ein Stück
aus der Alexandergeschichte. Yor dem siegreichen Herrscher kniet die Gattin des
Darius, umgeben von ihren Kindern. Die Bordüre arbeitet mit Blumenwerk und mytho-
logischen Figuren. Die Signierung zeigt neben einer stilisierten Lilie die Hand von
Antwerpen. Wenig geklärt sind zwei Marken, die Eugen Müntz bringt (20). Auf einem
Wappenschilde erscheinen zwei Hände, die Daumen einander zugekehrt. Die Signie-
rung soll angeblich auf einer „Anbetung der Hirten" in der spanischen Staatssammlung
zu finden sein. Ich habe den Behang nicht feststellen können. Ebensowenig kommt
die zweite Signierung — eine Hand, von den Buchstaben I D flankiert auf einer der
beiden Madrider Cyrusfolgen vor Die Renaissancereihe zeigt die Brüsseler Marke, die
jüngere — eine Wiederholung des 18. Jahrhunderts — benennt die Madrider Manu-
faktur der aus Antwerpen zugewanderten van der Goten: JACOBO YAN DER GOTEN.
Y. HNOS F. MADRID. Der Münchener Herkulesfolge scheint ein späterer Behang
im Treppenhause des Landsberger Rathauses nahe zu stehen, der angeblich vor
seiner Instandsetzung die Antwerpener Hand mit beigefügtem A und einem nicht
näher definierbaren Wirkerzeichen )| trug (21). Der außerordentlich ungünstig be-
lichtete Aufhängungsort ließ eine photographische Aufnahme unzweckmäßig erscheinen.
Ein geharnischter Ritter — das Fell einer Löwin deckt seine Schulter — erwehrt sich
mit einer Stachelkeule des eindringenden Löwen. Seltsames Getier belebt den Fabel-

454
 
Annotationen