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Antwerpen

wald. Die Mitte der oberen Bordüre bringt als Hoheitszeichen einen steigenden ge-
krönten Löwen.

Daß gerade die deutschen Lande besonders reich an Antwerpener Bildwirkereien
waren, kann nicht Wunder nehmen. Es verstand sich von selbst, daß die protestan-
tischen Fürsten die dem geläuterten Glauben zugewandte Stadt in weitgehendstem Maße
unterstützten. Der gleichen Tatsache verdankt die schwedische Krone den geradezu
vorbildlichen Bestand an holländischen Wandteppichen. Auch Antwerpen ist vertreten,
allerdings nur mit einer Serie. Die Geschichte Jephtas umfaßt sieben Behänge. Sie
entstammt den Ateliers des P. Kolenaer und des Jan van der Goten; der Erwerb ging
1670 von statten. Beide Werkstätten gehören zu den angesehensten Betrieben der Stadt.
Der Vorrang scheint Meister Jan zuzusprechen zu sein, Kolenaer scheint in unserem
Falle mehr als aushelfender Geschäftsfreund fangiert zu haben. Es ist nicht ersichtlich,
wer den Verkauf vermittelte. Wahrscheinlich kommt Nikolaus Nauwelaerts in Frage,
der einige Jahre später (1677) von Jan van der Goten eine Bacchusfolge „la feste de
Bachus" erwirbt. Die sechs Behänge sollen vertragsmäßig «etre faict de meilleur saye
fine et de le plus haults et vifs couleurs qu'on peut trouver et travaillö bien ferme, la
chame bien couverte et fmi, les habits de figure, fruicts, fleurs et animaux tres beaux
et bien faictes suivant la perfection du patron et l'une piece d'une mesme bont6 et
qualite que les autres" (22).

Die Forderungen — einwandfrei gedeckte Kette, fester Einschlag, gleichmäßige Güte
sämtlicher Stücke — sind im allgemeinen nicht üblich; sie erinnern bedeutsam an die
Beanstandungen des Pariser Meisters. Die Lieferung fällt vertragsgemäß aus — van der
Goten entschuldigt die verspätete Fertigstellung mit der Erkrankung mehrerer seiner
besten Gesellen —; am 2. Oktober des gleichen Jahres betraut Nauwelaerts den Meister
mit der Geschichte Rinaldos und Armides. Die ominöse Formel kehrt wörtlich wieder.
Bezog sie sich besonders auf Meister Jan oder stellt sie eine Sicherung Nauwelaerts
gegenüber den Antwerpener Wirkern an und für sich dar? Die Prüfung des von van
der Goten signierten Behanges der schwedischen Jephtafolge — der Richter sendet
Boten an den König der Ammoniter — gibt abgesehen von der Farbentechnik zu Be-
anstandungen keinen Anlaß (23) (Abb. 435). Sowohl die Lösung der Fassung wie die
des Mittelbildes sind einwandfrei durchgeführt. Die Bordüren vermögen sich mit den
besten Arbeiten Brüssels zu messen, deren Farbenfreudigkeit sie allerdings nicht er-
reichen. Die gelbbraunen und gelben Töne herrschen vor, das Inkarnat ist stark
verblaßt.

Wesentlich umfangreicher als der besprochene Behang (Höhe 3,35, Breite 3,38 m) ist
die P. KOLVENAER (Abb. 437) signierte Schlachtenszene (Höhe 3,68 m, Breite 4,58 m).
Die Durchbildung der Köpfe — der beste Gradmesser jeder Bildwirkerei — stellt Colenaer
wirktechnisch über Jan van der Goten. Über das Atelier des Meisters ist leider bis-
lang nur sehr wenig bekannt. Möglicherweise handelt es sich um einen Nachkommen
des Ambrosius de Colenaire, der mit seinem Bruder Augustin gemeinsam den Tapisserie-
handel betreibt und aus nicht näher ersichtlichen Gründen zu Beginn des Jahres 1566
in Ypern festgehalten wird. Ein Hieronymus Colenaer figuriert als Interessent und
Wirker 1555 in einer Eingabe gegen die Benutzungsregelung der neuerbauten Pant.

Die van der Goten gehören zu den angesehensten Wirkergeschlechtern Antwerpens.
Jakob van der Goten knüpft 1719 mit König Philipp V. von Spanien Verbindungen
zwecks Übersiedelung nach Madrid an. Die österreichische Verwaltung ist keineswegs
gewillt, den Meister ziehen zu lassen. Van der Goten verharrt auf seinem Standpunkte,
der Statthalter antwortet mit Gewaltmaßregeln. Das Atelier wird geschlossen, Hab
und Gut beschlagnahmt, Jakob interniert. Erst nach neunmonatlicher Haft sind die
Verhandlungen so weit gediehen, daß man van der Goten das Auswanderungsrecht
zugesteht — nichts weiter. Von allen Mitteln entblößt, trifft der Meister mit seinen
Söhnen am 30. Juli 1720 in der spanischen Hauptstadt ein.

Den letzten Jahrzehnten seiner Antwerpener Tätigkeit dürften zwei Teppiche im
deutschen Kunstbesitze zuzusprechen sein — signiert 1. VANDER . GOTEN. —, die in

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