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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Hrsg.]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0430
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Mailand

zugleich als Wirker und Sticker betätigt, genießt um die Wende des 15. Jahrhun-
derts einen guten Ruf. Der kunstsinnige Kardinal Bernhard von Cles (Bernardo
Clesio) betraut Meister Francesco mehrfach mit Aultragen; er tritt auch 1516 als Bürge
für die künstlerischen Leistungen der W erkstatt ein, als es gilt, umfangreiche Arbeiten
für den Dom zu Trient zu erhalten (5). 1517 gelangt ein Teil der Textilien (Sticke-
reien) zur Ablieferung, die Vergütung beläuft sich auf 151 Rheingulden 32 Groschen
(grossi) (6). Giov. Pietro Porro und Costanzo da Ello, die nach Entwürfen des Am-
brogio Preda um 1499 für Kaiser Maximilian tätig sind, dürften lediglich als Sticker
anzusprechen sein (7). Die Tätigkeit der Anteri'schen Werkstatt ist zu wenig geklärt,
um ihre Bedeutung im vollen Umfange ermessen zu können.

Im 16. Säkulum befindet sich ein Bildwirkeratelier an der Pforte Vercellina,
„parrochia di San Martino a Corpo di fora di Milano", Antonio Mario de Bazolo (Bo-
zollo) steht 1533 mit dem Domkapitel in Verbindung „di fare tutte le tapazarie qual
saranno necessario ad far a beneficio et ornamento de la ecclesia mazore" (8). Als
Patronenzeichner treten Piedro de Rizolis — er entwirft ein Madonnenleben — und
Nicoiao de Aplano (Appiano) in Erscheinung. Gaudenzio Ferrari (Gaudenzio de Vincio)
— der Maler segnet am 31. Januar 1546 in Mailand das Zeitliche —, der beherrschende
Meister der lombardisch-piemontesischen Schule (9) bezieht 1537 den Betrag von 116 libri
3 soldi «pro saldo designi tapezariarum per eum facti"; nähere Einzelheiten finden sich
hinsichtlich der „Anbetung der drei Könige", der Teppich zählt noch heute zu dem
Textilienbestande des Domes von Mailand (10). Die Darstellung ist außerordentlich
wirkungsvoll und von lebhafter Bewegung durchglüht; die Madonna hält das gött-
liche Kind auf dem Schöße, die Weisen nahen sich mit Geschenken, schwer trägt
der Älteste in halbkniender Haltung an einem prächtig ornamentierten Gefäße; ein
reicher Landschaftshintergrund mit einer kleinen figürlichen Szene bildet den Ab-
schluß.

Als Kartonzeichner werden weiterhin genannt Michele da Molino, der die „Geburt"
entwirft, der Genuese Antonio da Sanino mit der Krippenszene und Giulio Campo
mit einer Anbetung der Weisen für den Behang der Kirche Santa Maria della Scala
zu Mailand.

Zeitweilig ist für den Kardinal Borromeo ein Meister Antonio Longone tätig „di farli
aggiustare, pulire e rinfrescare i colori, pagando otto lire per ogni pazza"; ein Reparatur-
arbeiter Francesco Pioldello und sein Sohn betätigen sich in den Jahren von 1627
bis 1640, um 1730 erscheint in der gleichen Eigenschaft Melchior Brioschi, 1754 siedelt
der geschickte Basselissier Michelangelo Cavanna nach Neapel über.

Abgesehen von der prächtigen Monatsfolge aus dem Zweigatelier zu Vigevano, ist
es schwierig, Bildteppiche aus der Wende des 15. Säkulums mit den Mailänder Werk-
stätten in Verbindung zu bringen. In erster Linie kommt ein eigenartiger Behang in
Frage — Cäsar empfängt auf einer Schüssel das Haupt des Pompejus —, der aus dem
Besitze des florentinischen Kunsthändlers Bauer in den Bestand des Mailänder Kunst-
gewerbemuseums überging. Nach den Wappen in den vier Ecken zu urteilen, kom-
men die Grafen Rusca aus Como als Auftraggeber in Frage. Auf einem Hochstuhle
thront der sieghafte Cäsar — CASSAR —, ein Pfau, der stark an das gleiche Motiv in
der Ryerson'schen Verkündigung (Abb. 426) erinnert, steht mit seinem farbenprächtigen
Gefieder in wirkungsvollem Gegensatz zu den Marmorfliesen der Vorhalle. Zur Rechten
nehmen Bewaffnete Aufstellung, zur Linken naht der Senator mit der blutigen Trophäe,
erschreckt hebt ein Alter die Hand; waldiger bergiger Hintergrund schließt die Szene.
Entwicklung und Aufbau, Haltung der Figuren und Staffage verraten unzweideutig
einen Meister der Mailänder Schule. Noch eigenartiger gibt sich die Fassung, die in
ihrer Komposition vollkommen von der niederländischen Bildteppichbordüre abweicht,
die in nichts an eine textile Rahmung erinnert, vielmehr das Gepräge einer Marmor-,
Stuck- oder Intarsienleiste zeigt. Viereckige Felder schildern Triumphszenen in anti-
kisierender Auffassung. Die Wappenschilder in den vier Ecken mit der Legende CONEL
TEMPO liegen auf einem Kreisrund, das eine Marmorimitation wiedergibt; kurz das

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