Perugia
IV. Perugia.
Der Vertrag vom 13. August 1463 (1) verpflichtet den Teppichwirker Jacquemin
Birgieres, der mit seiner ganzen Familie, seiner Ehehälfte Jeanne, seinem Sohne Nico-
las und dessen Frau Micheline, die alte Heimat Lille verlassen hat und nach Perugia über-
gesiedelt ist, zur Gründung einer städtisch unterstützten Bildteppichmanufaktur in
einem Rahmen, der nicht über die üblichen sporadischen Ansiedlungsversuche hinausgeht.
Die Stadtherren sichern Meister Jacquemin sowohl Naturalbeihilfen in Gestalt von
Korn, als auch geldliche Unterstützung (fünf Florins jährlich) für die Anmietung ge-
eigneter Werkräume zu und stellen dem jungen Unternehmen lohnende Arbeit in
Aussicht. Als Gegenleistung hat Birgieres in der üblichen Weise — die Ansiedlungs-
verträge ähneln sich wie ein Ei dem andern — die Ausbildung von zwei Lehrlingen
zu übernehmen. Die Bildteppiche sind für die Capella de'Priori bestimmt, die Lie-
ferung der benötigten Wollen ist Sache des Auftraggebers. Ein besonderer Färber
wird für das Unternehmen verpflichtet. Birgieres macht sich mit Erfolg an die Arbeit.
Die Tatsache, daß über die Frühzeit der Manufaktur Lille keine sonderliche Un-
klarheit besteht — ganz abgesehen von dem niedrigen Quadratellenpreis —, läßt
immerhin Rückschlüsse über die Art der Behänge zu. Es ist kaum anzunehmen,
daß der Ausgewanderte sich über den heimischen Durchschnitt (2) erhob. Aller
Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich um die üblichen Wappenwirkereien, die
sich als lange, niedrige Behänge über den Sitzen der Stadtherren hinzogen. Am
22. September 1466 wird der Vertrag auf vier Jahre verlängert, die Teppiche für die
Capella de'Priori sind noch in Arbeit. 1467 erfolgt die Ablieferung; neue Aufträge
werden nicht erteilt; Birgieres setzt mit seiner Familie den Wanderstab weiter. Die
Folge war noch um 1550 an der alten Stelle vorhanden, ihr Verbleib ist unbekannt.
Es ist kaum anzunehmen, daß Perugia in späteren Jahrzehnten ein Wiederaufblühen
der Bildteppichwirkerei erlebte. Die wüsten Kämpfe, die unter der Herrschaft der
Baglioni jedes künstlerische Leben unterbanden — die Chroniken der Graziani und
Matarazzo berichten mit erschütternder Anschaulichkeit —, machen die Annahme
recht unwahrscheinlich.
450
IV. Perugia.
Der Vertrag vom 13. August 1463 (1) verpflichtet den Teppichwirker Jacquemin
Birgieres, der mit seiner ganzen Familie, seiner Ehehälfte Jeanne, seinem Sohne Nico-
las und dessen Frau Micheline, die alte Heimat Lille verlassen hat und nach Perugia über-
gesiedelt ist, zur Gründung einer städtisch unterstützten Bildteppichmanufaktur in
einem Rahmen, der nicht über die üblichen sporadischen Ansiedlungsversuche hinausgeht.
Die Stadtherren sichern Meister Jacquemin sowohl Naturalbeihilfen in Gestalt von
Korn, als auch geldliche Unterstützung (fünf Florins jährlich) für die Anmietung ge-
eigneter Werkräume zu und stellen dem jungen Unternehmen lohnende Arbeit in
Aussicht. Als Gegenleistung hat Birgieres in der üblichen Weise — die Ansiedlungs-
verträge ähneln sich wie ein Ei dem andern — die Ausbildung von zwei Lehrlingen
zu übernehmen. Die Bildteppiche sind für die Capella de'Priori bestimmt, die Lie-
ferung der benötigten Wollen ist Sache des Auftraggebers. Ein besonderer Färber
wird für das Unternehmen verpflichtet. Birgieres macht sich mit Erfolg an die Arbeit.
Die Tatsache, daß über die Frühzeit der Manufaktur Lille keine sonderliche Un-
klarheit besteht — ganz abgesehen von dem niedrigen Quadratellenpreis —, läßt
immerhin Rückschlüsse über die Art der Behänge zu. Es ist kaum anzunehmen,
daß der Ausgewanderte sich über den heimischen Durchschnitt (2) erhob. Aller
Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich um die üblichen Wappenwirkereien, die
sich als lange, niedrige Behänge über den Sitzen der Stadtherren hinzogen. Am
22. September 1466 wird der Vertrag auf vier Jahre verlängert, die Teppiche für die
Capella de'Priori sind noch in Arbeit. 1467 erfolgt die Ablieferung; neue Aufträge
werden nicht erteilt; Birgieres setzt mit seiner Familie den Wanderstab weiter. Die
Folge war noch um 1550 an der alten Stelle vorhanden, ihr Verbleib ist unbekannt.
Es ist kaum anzunehmen, daß Perugia in späteren Jahrzehnten ein Wiederaufblühen
der Bildteppichwirkerei erlebte. Die wüsten Kämpfe, die unter der Herrschaft der
Baglioni jedes künstlerische Leben unterbanden — die Chroniken der Graziani und
Matarazzo berichten mit erschütternder Anschaulichkeit —, machen die Annahme
recht unwahrscheinlich.
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