Frühes Mittelalter bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts
Ähnlich wie bei der Alttestamentfolge, die uns in dem Abrahamsteppich und in der von
dem ehemaligen Domküster Haber gemalten Kopie eines Teiles des Jakoblebens über-
kommen ist, wurde der Apostelbehang durch einen Evangelistenteppich — vielleicht auch
noch durch einen Kirchenväterbehang usw. — ergänzt; die Kopie geht gleichfalls auf den
vorgenannten Kirchenbeamten und auf das 18. Jahrhundert zurück. In der Mitte steht der
Auferstandene, in der Linken die Kreuzesfahne, die Rechte zum Segen erhoben. Ähnlich
wie in dem Apostelbehang erstrecken sich zu beiden Seiten des Erlösers Banksitze, auf
denen links Matthäus und Markus, rechts Lukas und Johannes mit ihren Symbolen, in den
Händen die senkrechten Namensbänder, statuenhaft ihren Platz einnehmen. Es spricht für
die Gewissenhaftigkeit des kopierenden Küsters, daß die Farben im wesentlichen mit denen
des Apostelteppichs übereinstimmen.
Als unmittelbare Fortbildung des Halberstädter Apostelteppichs entsteht in der Gesamt-
disposition — in der Mitte der thronende Erlöser — zweifellos nahe verwandt ein Apostel-
behang, der sich ursprünglich angeblich im Kloster Hubertsburg — Halberstadt, befunden
haben soll, von dem aber leider nur noch zwei Figuren in ziemlich schlechtem Zustand
auf uns gekommen sind39). Die Arbeit ist in Stilstichstickerei auf Leinen ausgeführt, gehört
also nicht in unser Gebiet. Sie hat aber insofern erhebliche Bedeutung, als die Konzeption
einer Wirkereifolge um 1200 keinesfalls anders ausgefallen wäre. Bartholomäus und Pau-
lus — die Namen erscheinen auf den Rundbögen — stehen in Säulennischen, von Rund-
türmen gekrönt, durch ein flaches Dach verbunden — vgl. die verwandten Architektur-
konstruktionen in dem niedersächsischen seidengestickten Altarbehang (Auferstehung,
Frauen am Grabe, Pfingsten) im Berliner Schloßmuseum40). Die beiden Apostel wenden
sich mit sprechenden Gebärden rechts nach der nicht mehr vorhandenen Heilandsgestalt.
Typisch ist die weitergehende Lockerung in der Haltung. Die Starre hat sich gelöst,
geradezu überraschend wirkt die Kühnheit in der Schrittstellung des Paulus. Die Stand-
figur ist überwunden. Von einer Erfindung des Kartonzeichners ist natürlich keine Rede.
Der entwerfende Künstler sucht und findet seine Vorbilder in reicher Fülle in Hildesheim,
in der Betrachtung der Chorschranken41) von St. Michael, in den vom Rheinland aus
beeinflußten Bronzeplastiken, den illuminierten Schriften usw. An Ort — Hildesheimer
Gegend — und Zeit der Entstehung — um 1200 — besteht kaum ein Zweifel. Das kleine
Stück Rankenbordüre scheint unmittelbar einer Handschrift entlehnt zu sein. Die Technik
bietet —■ auch abgesehen von den starken Zerstörungen und Ergänzungen — keinerlei
Vergleichsbas is.
Handelte es sich bei den vorbesprochenen Arbeiten um die üblichen langen niedrigen
Dorsalien, so fällt der jüngste der drei romanischen Teppiche des Halberstädter Doms,
einmal seines ungewöhnlichen Formats — Hochrechteck —, zum andern in der Wahl der
Darstellung, stark aus dem für die frühen und späteren deutschen mittelalterlichen Behänge
üblichen Rahmen. Die Ausnahmestellung wird durch die Anordnung des Kettfaches unter-
strichen, das in Anlehnung an die Methode der Spätantike nicht senkrecht, sondern
wagrecht zu der Achse der Figuren verläuft, d. h. im aufgehängten Teppich sich als senk-
rechtes, nicht als wagerechtes Rippenfeld markiert. Der Teppich (Abb. 5) mißt heute in
seinem unvollständigen Zustand in der Höhe 1,57 bis 1,59 m, in der Breite 1,45 bis 1,53 m;
es fehlen Kopf und Brust der beiden oberen Gestalten, sowie die Spruchbänder zu Häupten
des Behanges. Die Palmettenbordüre, die ehedem den Teppich faßte, ist nur noch in Bruch-
stücken vorhanden42). Die Annahme, daß spätantike Vorbilder die Wirkerinnen zu einer
so schwerwiegenden technischen Änderung veranlaßt haben sollten, will mir kaum glaub-
haft scheinen. Größere Wahrscheinlichkeit bietet m. E. die Hypothese, daß rein technische
Gründe die Erzeuger bestimmten, das Kettfach parallel zu der Längenausdehnung an-
zuordnen, Gründe, die in der Schwierigkeit der Konstruktion der Wirkbäume zu suchen
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Ähnlich wie bei der Alttestamentfolge, die uns in dem Abrahamsteppich und in der von
dem ehemaligen Domküster Haber gemalten Kopie eines Teiles des Jakoblebens über-
kommen ist, wurde der Apostelbehang durch einen Evangelistenteppich — vielleicht auch
noch durch einen Kirchenväterbehang usw. — ergänzt; die Kopie geht gleichfalls auf den
vorgenannten Kirchenbeamten und auf das 18. Jahrhundert zurück. In der Mitte steht der
Auferstandene, in der Linken die Kreuzesfahne, die Rechte zum Segen erhoben. Ähnlich
wie in dem Apostelbehang erstrecken sich zu beiden Seiten des Erlösers Banksitze, auf
denen links Matthäus und Markus, rechts Lukas und Johannes mit ihren Symbolen, in den
Händen die senkrechten Namensbänder, statuenhaft ihren Platz einnehmen. Es spricht für
die Gewissenhaftigkeit des kopierenden Küsters, daß die Farben im wesentlichen mit denen
des Apostelteppichs übereinstimmen.
Als unmittelbare Fortbildung des Halberstädter Apostelteppichs entsteht in der Gesamt-
disposition — in der Mitte der thronende Erlöser — zweifellos nahe verwandt ein Apostel-
behang, der sich ursprünglich angeblich im Kloster Hubertsburg — Halberstadt, befunden
haben soll, von dem aber leider nur noch zwei Figuren in ziemlich schlechtem Zustand
auf uns gekommen sind39). Die Arbeit ist in Stilstichstickerei auf Leinen ausgeführt, gehört
also nicht in unser Gebiet. Sie hat aber insofern erhebliche Bedeutung, als die Konzeption
einer Wirkereifolge um 1200 keinesfalls anders ausgefallen wäre. Bartholomäus und Pau-
lus — die Namen erscheinen auf den Rundbögen — stehen in Säulennischen, von Rund-
türmen gekrönt, durch ein flaches Dach verbunden — vgl. die verwandten Architektur-
konstruktionen in dem niedersächsischen seidengestickten Altarbehang (Auferstehung,
Frauen am Grabe, Pfingsten) im Berliner Schloßmuseum40). Die beiden Apostel wenden
sich mit sprechenden Gebärden rechts nach der nicht mehr vorhandenen Heilandsgestalt.
Typisch ist die weitergehende Lockerung in der Haltung. Die Starre hat sich gelöst,
geradezu überraschend wirkt die Kühnheit in der Schrittstellung des Paulus. Die Stand-
figur ist überwunden. Von einer Erfindung des Kartonzeichners ist natürlich keine Rede.
Der entwerfende Künstler sucht und findet seine Vorbilder in reicher Fülle in Hildesheim,
in der Betrachtung der Chorschranken41) von St. Michael, in den vom Rheinland aus
beeinflußten Bronzeplastiken, den illuminierten Schriften usw. An Ort — Hildesheimer
Gegend — und Zeit der Entstehung — um 1200 — besteht kaum ein Zweifel. Das kleine
Stück Rankenbordüre scheint unmittelbar einer Handschrift entlehnt zu sein. Die Technik
bietet —■ auch abgesehen von den starken Zerstörungen und Ergänzungen — keinerlei
Vergleichsbas is.
Handelte es sich bei den vorbesprochenen Arbeiten um die üblichen langen niedrigen
Dorsalien, so fällt der jüngste der drei romanischen Teppiche des Halberstädter Doms,
einmal seines ungewöhnlichen Formats — Hochrechteck —, zum andern in der Wahl der
Darstellung, stark aus dem für die frühen und späteren deutschen mittelalterlichen Behänge
üblichen Rahmen. Die Ausnahmestellung wird durch die Anordnung des Kettfaches unter-
strichen, das in Anlehnung an die Methode der Spätantike nicht senkrecht, sondern
wagrecht zu der Achse der Figuren verläuft, d. h. im aufgehängten Teppich sich als senk-
rechtes, nicht als wagerechtes Rippenfeld markiert. Der Teppich (Abb. 5) mißt heute in
seinem unvollständigen Zustand in der Höhe 1,57 bis 1,59 m, in der Breite 1,45 bis 1,53 m;
es fehlen Kopf und Brust der beiden oberen Gestalten, sowie die Spruchbänder zu Häupten
des Behanges. Die Palmettenbordüre, die ehedem den Teppich faßte, ist nur noch in Bruch-
stücken vorhanden42). Die Annahme, daß spätantike Vorbilder die Wirkerinnen zu einer
so schwerwiegenden technischen Änderung veranlaßt haben sollten, will mir kaum glaub-
haft scheinen. Größere Wahrscheinlichkeit bietet m. E. die Hypothese, daß rein technische
Gründe die Erzeuger bestimmten, das Kettfach parallel zu der Längenausdehnung an-
zuordnen, Gründe, die in der Schwierigkeit der Konstruktion der Wirkbäume zu suchen
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