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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0292
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") Der Beginn der Legende fehlt: Der Graf von Safoi verläßt, einer göttlichen Stimme folgend, den Hof
seines königlichen Herrn und wandert mit seiner Gattin in die Fremde. In höchster Not sieht er sich
gezwungen, seine Frau an vier junge Leute zu verkaufen, die die Dame zu Schiff nach Frankreich ent-
führen. Hier setzt die Erzählung des Teppichs ein. Im Fahrzeug sitzt die Schöne mit drei buntgezottelten
(der eine in Rot, der zweite in Grün, der dritte in Blau) Wildmännern; der vierte (rot) steht abschied-
nehmend am Ufer. Das Segel des Schiffes trägt das Wappen der Berner Familie von Wabern, Spruch-
bänder, in willkürlichen, die Bilder zerreißenden Windungen, begleiten die Episoden. Der Wildmann am
Ufer spricht:

„kauf her wille ... mich (?)
zu einer frowe minniglich.";

der Schiffer antwortet:

„ein schönes wip mit folle begir
dz ich dir sag die zog ich dir".

Die Gräfin von Safoi wird vor den König von Frankreich gebracht, der sie zum Weibe begehrt. Die
Treue hofft immer noch auf Erlösung durch ihren Gatten und bittet um die Frist eines Jahres. Wie in
den Spielen üblich, erscheint auch der Herr von Frankreich als wilder Mann durch die Krone und den
Knappen mit dem Lilienschilde genügend charakterisiert. Die Frau bittet den Fürsten „bi uch schlaffen
nit sol sin / gewere mich e dr bet min"; der Begleiter unterstützt das Gesuch: „ei iar hat sy gelopt
kuscheit / künig / dz sy dir furwar geseit";
die Majestät nickt gewährend:

„sit ir so hant begert

so sollent ir des sin gewert".

Das Jahr geht zur Neige, der König schreibt ein großes Turnier aus; durch Gottes Fügung erscheint der
Graf von Safoi auf dem Plan, gewinnt den Sieg und sein verloren geglaubtes Weib, das ihn voller Freu-
den wiedererkennt. Vereint zieht das Paar in die alte Heimat.

Zwei Ritter sprengen in der letzten Szene mit eingelegten Turnierlanzen gegeneinander an, ihre Schilde
tragen die Wappen der Häuser von Wabern (der Ritter rechts) und der Solothurner Familie Spiegelberg
(der Kavalier zur Linken).

Sieger: „ach got durch din gutte,

mich in dinem schyrm behutte".
Besiegter: „ich sprich by mine lebe

ma sol dem dr priss un er geben".

In dem Schlußbild umarmt sich das wiedergefundene Ehepaar — der bärtige graugezottelte Wildmann,
der den Grafen von Safoi spielt, trägt im Sinne seiner Rolle einen rosa Pilgerhut — unter freudigen
Rufen —

,,o got durch din dot (tat)

du hest uns erloset von grose not".

„got sy gelobt der stunden

ds ich hab min gemahel widr funden" —;

gütig gewährt der König den Liebenden ihr altes Lehensland:

„sit ir beide sint by leben

so wil ich uch land un bit wider geben."

40) In den bereits erwähnten Basler Urkunden ist 1407 die Rede von „der von Bärenfels heideschwerkerinn".

41) Kunstgewerbliche Altertümer aus dem Schweizerischen Landesmuseum in Zürich, 1901, Tafel 12.

43) Das im frühen Kunstgewerbe unendlich oft verwertete Jungfrau-Einhornmotiv findet sich u. a. auf einer
Reihe Schweizer bzw. oberdeutscher Minnekästchen (H. Kohlhausen, Minnekästchen im Mittelalter, Ber-
lin 1908, Tafel 42 (Nr. 57, 66a), 59. Gabriel mit seiner Meute s. Tafel 57 (Nr. 79).

,3) Die Kreisornamente, die den Leib des Einhorns decken, gehen möglicherweise auf einen Metalldruck
zurück. In den Schrolblättern findet sich das Hortus-conclusus-Motiv ziemlich häufig. A. Blum, Les
Origines de la Gravüre en France, Paris 1927, PI. XVII usw.

") H. Göbel, Wandteppiche, 1. Teil, 1. Bd., S. 130 ff.

45) Jahresbericht des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich, 1904, S. 47.
48) Der aufrechtstehende Jäger spricht:

„ich ag noch truwe find ich die

kein liebe zit gelebt ich nie;

seine hasenherzigen Genossen wimmern:

„wir woge hie unser leben

dz uns got uns heer (?) hat gebe";

die Jungfrau moralisiert:

„wer do iaget durch (?) üppikeit

an sinem fad vint er (?) nur (?) leid".

47) Fr. X. Kraus, Die Kunstdenkmale des Großherzogtums Baden, Bd. II, Kreis Villingen, S. 144.

48) 1438 Ravensberg, 1444 Buchhorn, 1458 Zürich, 1463—1471 Luzern, 1471 Stein a. Rh., 1475 Lindau.
") B.Kurth, a.a.O. S. 166.

50) Kindler v. Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch, Bd. III, S. 108.

51) H. Göbel, Wandteppiche, 1. TL, 1. Bd., Abb. S. 285. 2. Bd., T. 197, 206, 207, 218, 250, 254.
") H. Göbel, a. a. O. 1. Tl., 1. Bd., Abb. auf S. 285.

SI) Hermann Flamm, Die Schatzverzeichnisse des Münsters 1483—1748: Freiburger Münsterblätter, 2. Jahrg.

1906, 2. Heft, S. 75 ff.

") H. Schmitz, Wandteppiche, S. 65, Abb. 26.

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