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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0089
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III. Breslau. Görlitz.

Die Wahrscheinlichkeit, daß bereits im 15. Jahrhundert in Breslau die Bildwirkertechnik
gepflegt wurde, liegt nahe. Die Testamentsniederschriften — in der Handschrift Klose
Nr. 37 im Breslauer Staatsarchiv — unterscheiden in der Regel klar zwischen den nieder-
ländischen Wirkereien und den „heidenischen tücher", d. h. den einheimischen Erzeugnis-
sen. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß der terminus technicus „heidenische tücher"
durchaus keine Eigenbezeichnung der oberrheinischen und elsässischen Werkstätten dar-
stellt, sondern sich vielfach auch in mittel- und ostdeutschen Gebieten findet.

„Dorothea Hanns Rotten nachgelassen Witwe" verfügt unter dem Dienstag nach Invoca-
vit 1489 über „10 heidenische tücher". Der letzte Wille (24. September 1540) der „Frau Cri-
stina des edelen Wolgeborn Herrnn Johann Kortzbachs freyherrnn zuTrachenbergk auf Mi-
litsch" berichtet von dem „thebicht mit denn königen". Besonders bemerkenswert ist der
hinterlassene Textilienbestand (7. November 1544) des „Herrn Heinrichen Ribischs der
rechten Doctoris". Im Sommerhaus hängen „sechs gewurchte Tucher mit meinem Wapen
die ich sonderlich darinn haben machen lassen. Itzlichs an seiner stel-
len . . ." Ob es sich lediglich um das heraldische Zeichen des Doktors handelt oder ob Allianz-
wappen eingewirkt waren — Dr. Reibisch war in erster Ehe mit Anna Rindfleisch, in
zweiter mit Katharina Gelhorn verheiratet — steht dahin. Der Vermerk ist aber immerhin
klar genug gefaßt, um auf eine eingesessene Werkstatt rückschließen zu können. In der
„schönen Stube" hängen „zwei tücher off grun grweirt khosten beide sechs gülden", d. h.
es handelt sich um wohlfeile Verdüren, in Gestalt von Blumenranken oder Stauden. Das In-
ventar fährt fort: „Item drey Teppicht gelb und roth an eine Wand oder vff die Bank." Die
sehr einfachen, ganz und gar kleinhandwerksmäßigen Erzeugnisse, scheinen als Gebrauchs-
ware in Breslau besonders beliebt gewesen zu sein.

Unter klarer Scheidung der Provenienz zählt der gelahrte Doktor in seinen letztwilligen
Verfügungen weiter auf: „Item zwei niderlendische tapetzereij eins vber ein tisch
mit meinem wappen, das ander an eine Wand zu gebrauchen, mit meinem u. des ersten
Weibes Wappen ...

Item drei niderlendische bangkphul mit Scherwolle gefüllt.
Item drei niderlendische kleine kußlein auch mit Scherwolle gefüllet..."
Die Aufstellung zeigt zur Genüge, daß die einfachen Arbeiten mit bunten Streifen, die billi-
gen Verdüren und Wappenteppiche einheimisches Erzeugnis sind, daß für die reichere Aus-
zierung jedoch niederländische Wirkereien, zum mindesten um die Mitte des 16. Jahr-
hunderts, bevorzugt wurden. Der Brieger Chronist Lucae bewundert in dem Vorsaal der
Maria-Magdalenen-Bibliothek zu Breslau den schönen Tischteppich auf der langen Tafel
usw.19). Die Liste läßt sich unschwer erweitern; zu anderen Ergebnissen führt sie nicht.

Es überrascht naturgemäß, wenn Prof. Dr. E. Hintze bei seinen Arbeiten für das schle-
sische Künstlerlexikon in der Zeitspanne von 1574 bis 1715, also in eineinhalb Jahrhunder-
ten, nicht weniger als 10 „Tebichtmacher" aufführt20): Michael Milde „Tebichtmacher und
Tebichtdrucker in Breslau" wohnt in der Bischofsgasse, er ist vor 1574 bis 1595 tätig; der
Tebichtmacher Jacob Steltzner heiratet am 2. Dezember 1578 die Tochter eines Tage-
löhners; Lorentz Schnur (Schnor, Schnorr) aus Freiberg gebürtig, wird als Teppichdrucker

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