3. Lüneburg.
a) Urkundliche Belege
Die urkundlichen Belege, an und für sich dürftig, äußern sich immerhin noch ausführ-
licher als in den meisten anderen deutschen Wirkereizentralen. Der Grund ist unschwer
einzusehen; der Rat von Lüneburg zeigt ein anerkennenswertes Interesse an der edlen Kunst
der Bildwirkerei und betraut in Lüneburg angesessene Atelierinhaber nicht selten mit Auf-
trägen. Naturgemäß sind diese Bestellungen nur ein winziger Bruchteil der Lüneburger
Produktion. Das zahlungsfähige und kunstfreudige Patriziat war sicherlich ein noch besse-
rer Abnehmer als die Stadt, die Repräsentationspflichten auf längere Sicht zu erfüllen hatte.
Bereits 1449 ist eine Frau Olrik Crusen30) im Dienste des Rates tätig; die Vergütung er-
folgt „vor 24 wrachte (gewirkte) kussenburen, de se maked heft uppe dat radhus". Die
Kissen werden mit Leder (aus Hamburg bezogen) gepolstert. 1451 kaufen die Stadtkäm-
merer 60 Ellen Leinwand „to den pusten" (Kissen). 1480 findet ein Krüppel, „Mester Cord",
Erwähnung, der außer Opfer- und Trinkgeld und einem Mietszuschuß 37 V2 Mark erhält
„uppe de kussenbure", die er nach dem Entwürfe eines nicht genannten Malers durch-
geführt hat. 1490 ist die Rede von neuen Kissenblättern (Pusten), die in einer besonderen
Truhe verwahrt werden. 1520 arbeitet die Frau des obersten Rathausknechts ein gewirktes
Banklaken über den Bürgermeistersitz; acht Jahre später (1528) fertigt ein gewisser Am-
brosius das Gegenstück für den Ratsstuhl. Eine weite Lücke klafft bis zum nächsten Auf-
trag. 1576 ersetzt der „Deckenmacher" Frans van der Ruest (Rost), ein Flame, der 1583
in Wolfenbüttel ein Unterkommen sucht31), die alten unansehnlich gewordenen Kissen
durch 36 neue „pusteblaede", die, wie üblich, auf der Rückseite beledert werden. 1592
werden die Kissen für die „Laube" und die „Grüne Kammer" ergänzt bzw. durch neue
Stücke ersetzt. Soweit die urkundlichen Nachrichten.
b) Erhaltene Arbeiten
Bleiben wir bei den Kissenwirkereien, dem eisernen Bestände der Ratsaufträge, so kommt
zunächst ein um 1500 gewirktes Blatt im Lüneburger Museum in Frage. Das Material be-
steht aus Wolle, die Textur (5 Kettfäden) ist mittelgrob. Das Mittelbild, eine weiße, heral-
dische Lilie auf Rot — das Zeichen stimmt mit dem Wappen des Lüneburger Geschlechts
der Grönhagen (silberne Lilie auf blauem Feld) bis auf die Fondfarbe überein —, wird
von einem Kranz stilisierter spätgotischer Blüten und hellgrüner Blätter gerahmt. Die Tech-
nik zeigt eine von den Niederlanden stark beeinflußte Schraffengebung; abgesehen von der
Zeichnung, könnte das Stück — rein technisch genommen — ebensogut in Flandern oder
Brabant auf den Wirkerstuhl gelegt worden sein.
Aus der Zeit um 1580 stammen fünf gewirkte Kissen (56 cm X 56 cm, 7 Kettfäden auf
einen Zentimeter) der Großen Ratsstube: Ein nackter, bärtiger, blumenbekränzter Mann
hält den Schild mit dem Lüneburger Wappen; Früchte und Blattwerk in Grün und Gelb
füllen den schwarzen Grund, die vier Ecken decken rote, stilisierte Rosen32). Die Kissen-
blätter gehören mit zwei langen, niedrigen, goldgewirkten Rücklaken (H. je 0,62 m, L. je
4,68 m, 6 Kettfäden auf einen Zentimeter), 1584 unter dem Stadtwappen datiert, und fünf
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a) Urkundliche Belege
Die urkundlichen Belege, an und für sich dürftig, äußern sich immerhin noch ausführ-
licher als in den meisten anderen deutschen Wirkereizentralen. Der Grund ist unschwer
einzusehen; der Rat von Lüneburg zeigt ein anerkennenswertes Interesse an der edlen Kunst
der Bildwirkerei und betraut in Lüneburg angesessene Atelierinhaber nicht selten mit Auf-
trägen. Naturgemäß sind diese Bestellungen nur ein winziger Bruchteil der Lüneburger
Produktion. Das zahlungsfähige und kunstfreudige Patriziat war sicherlich ein noch besse-
rer Abnehmer als die Stadt, die Repräsentationspflichten auf längere Sicht zu erfüllen hatte.
Bereits 1449 ist eine Frau Olrik Crusen30) im Dienste des Rates tätig; die Vergütung er-
folgt „vor 24 wrachte (gewirkte) kussenburen, de se maked heft uppe dat radhus". Die
Kissen werden mit Leder (aus Hamburg bezogen) gepolstert. 1451 kaufen die Stadtkäm-
merer 60 Ellen Leinwand „to den pusten" (Kissen). 1480 findet ein Krüppel, „Mester Cord",
Erwähnung, der außer Opfer- und Trinkgeld und einem Mietszuschuß 37 V2 Mark erhält
„uppe de kussenbure", die er nach dem Entwürfe eines nicht genannten Malers durch-
geführt hat. 1490 ist die Rede von neuen Kissenblättern (Pusten), die in einer besonderen
Truhe verwahrt werden. 1520 arbeitet die Frau des obersten Rathausknechts ein gewirktes
Banklaken über den Bürgermeistersitz; acht Jahre später (1528) fertigt ein gewisser Am-
brosius das Gegenstück für den Ratsstuhl. Eine weite Lücke klafft bis zum nächsten Auf-
trag. 1576 ersetzt der „Deckenmacher" Frans van der Ruest (Rost), ein Flame, der 1583
in Wolfenbüttel ein Unterkommen sucht31), die alten unansehnlich gewordenen Kissen
durch 36 neue „pusteblaede", die, wie üblich, auf der Rückseite beledert werden. 1592
werden die Kissen für die „Laube" und die „Grüne Kammer" ergänzt bzw. durch neue
Stücke ersetzt. Soweit die urkundlichen Nachrichten.
b) Erhaltene Arbeiten
Bleiben wir bei den Kissenwirkereien, dem eisernen Bestände der Ratsaufträge, so kommt
zunächst ein um 1500 gewirktes Blatt im Lüneburger Museum in Frage. Das Material be-
steht aus Wolle, die Textur (5 Kettfäden) ist mittelgrob. Das Mittelbild, eine weiße, heral-
dische Lilie auf Rot — das Zeichen stimmt mit dem Wappen des Lüneburger Geschlechts
der Grönhagen (silberne Lilie auf blauem Feld) bis auf die Fondfarbe überein —, wird
von einem Kranz stilisierter spätgotischer Blüten und hellgrüner Blätter gerahmt. Die Tech-
nik zeigt eine von den Niederlanden stark beeinflußte Schraffengebung; abgesehen von der
Zeichnung, könnte das Stück — rein technisch genommen — ebensogut in Flandern oder
Brabant auf den Wirkerstuhl gelegt worden sein.
Aus der Zeit um 1580 stammen fünf gewirkte Kissen (56 cm X 56 cm, 7 Kettfäden auf
einen Zentimeter) der Großen Ratsstube: Ein nackter, bärtiger, blumenbekränzter Mann
hält den Schild mit dem Lüneburger Wappen; Früchte und Blattwerk in Grün und Gelb
füllen den schwarzen Grund, die vier Ecken decken rote, stilisierte Rosen32). Die Kissen-
blätter gehören mit zwei langen, niedrigen, goldgewirkten Rücklaken (H. je 0,62 m, L. je
4,68 m, 6 Kettfäden auf einen Zentimeter), 1584 unter dem Stadtwappen datiert, und fünf
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