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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0157
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Danzig. Marienburg

beginnenden 17. Jahrhunderts. Die Gestalten der Kaufherrn im Vorrahts- und Handels
Rahtt lassen auf holländische Vorlagen schließen. Auf niederländischen Ursprung end-
lich weist der steigende Löwe in der Schiffsflagge des letzten Bildes. Das eigenartige Ge-
misch läßt mit starker Wahrscheinlichkeit auf einen wandernden Wirker folgern, der
seine Schule in Holland, wohl auch in den Pariser flämischen Betrieben durchmachte, der
im Dienste des Danziger Kastellans76) stand, dessen Weg in Polen mündete.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Wirker des Danziger Teppichs mit dem namentlich
nicht genannten Meister identisch ist, der 1619 von Johann Sigismund, dem Kurfürsten
von Brandenburg, nach Königsberg gesandt wurde, dessen Spur sich 1620 verliert77).

Ein Ballen (im letzten Bilde) trägt ein Zeichen, das mit einer Handelssignatur nichts zu
tun hat, das wahrscheinlich die Marke des Wirkers darstellt: %L

Die Stadtansichten im Hintergrunde der vier Bilder sind mit Danzig nicht in Verbindung
zu bringen; der Hauseinblick der dritten Episode erinnert nur entfernt an den Vorflur und
den vom Garten aus belichteten Hauptsaal des tiefen Danziger Patrizierhauses, wie es der
französische Gesandtschaftssekretär Charles Ogier (1635) schildert78).

Die Farbengebung des Wandteppichs ist frisch; Palette und Technik entsprechen der
eines in den Niederlanden geschulten, über dem Durchschnitt stehenden Meisters.

Provinzialkonservator Oberbaurat Dr. B. Schmid erwähnt — Die Evangelische Pfarr-
kirche St. Georgen zu Marienburg, Marienburg i. Westpr., 1932 — zwei in dem Gotteshaus
verwahrte Antependien. Der eine Behang (H. 0,56 m, L. 2,96 m, 6 Kettfäden auf einen Zenti-
meter) mit gestickten Rändern an drei Seiten (H. 1,08 m, L. 3,10 m) schildert in einwand-
freier Technik, in scharfem Gegensatz von Hell und Dunkel die Verkündigung des Engels
an Maria, in der Mitte die Geburt des Herrn, rechts die Anbetung der Könige. Die Szenen
sind durch schwere Fruchtgewinde getrennt. Die Entstehungszeit dürfte um 1690 anzu-
setzen sein. Wahrscheinlich handelt es sich um die Arbeit eines aus Holland eingewander-
ten, in Danzig vorübergehend tätigen Wirkers.

Wesentlich interessanter ist das zweite von Blumen-Frucht-Bordüren an den Seiten gefaßte
Antependium (Abb. 118, H. 0,99 m, L. 3,15 m). Das Gefüge ist mit 5 Kettfäden auf den Zenti-
meter mittelfein. Der Grund der Bordüre ist schwarz, die Gehänge sind ungewöhnlich bunt.
Die Gesamtwirkung des Antependiums ist sehr licht. Vorherrschend sind rote, blaue, grüne,
weiße, stellenweise graue und rosa Töne (Wolle). Die Seide beschränkt sich in den Lich-
tern auf weiße, in geringerem Maße auf rosa und hellgrüne Nuancen. Die Gesichter sind zu-
meist in Wolle, vereinzelt auch in weißer Seide gearbeitet. Eigenartig ist die Verwendung
der Metallfäden. Die Spiegelschriften — 1. Szene: Auferstehung Christi, VICIT LEO DE
TRIBU JUDAE; 2. Szene: Himmelfahrt, ASCENDIT DEUS CUM JUBILO — stehen in
Gold; die sehgerechte Legende des Pfingstwunders — EFFUNDAM SPIRITUM MEUM —
dagegen in Silber. Die Strahlen der Mandorla sind in Gold ausgelegt, die silberne Taube mit
karminroten Konturen schwebt auf Goldgrund. Zahlreiche Umrisse der Gesichter und
Hände, die wagrechten, zum Teil auch die senkrechten Fugen im Mauerwerk und die
Fensterumrahmungen sind gestickt. In der rechten unteren Ecke erscheint die silberne
Signatur C E ■

HERMSONIN
RS-

AO • MDCCXXI •, eine Wiederholung in Spiegelschrift steht unter dem

mittleren Bild.

Die Vorlagen sind anscheinend Bibelillustrationen entnommen, die Technik ist primitiv
und deutet auf nicht zünftige, private Arbeit. Dr. B. Schmid denkt an die Tochter des in
Marienburg von 1702 bis 1736 wirkenden Predigers Salomon Harmson, die zur Zeit der
Entstehung des Behanges (Vermählung der Eltern am 17. April 1700, Tod der Mutter Chri-

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