Deutschland Kunstschätze. 85
„Euer Majestät .. ", antwortete der Lakai achselzuckend, einen forschenden Blick auf das
Gesicht des Königs werfend.
„IM dien?"D
„Es sind vielleicht zu viele Fremde ... So sagt wenigstens der Herr Chambellan... Eine
ganze Assemblee..."
„Wo hast Du den Audienzzettel von Pöllnitz? Der Zettel soll stets hier liegen, — hier!" Und
Friedrich setzte den Finger mit dem funkelnden Solitärring auf die Tischecke. „Wo ist Pöllnitz selbst?"
Ein alter, wenigstens siebzigjähriger Herr in Kammerherrnuniform trat ein. Das breite
Antlitz desselben war tief gerörhet und von Schweißtropfen bedeckt. Der König sah ihn und seine
kunstgerecht angelegten, aber sehr grotesk ausgeführten Verbeugungen aufmerksam an. Die rothe
! goldgestickte Weste hatte sich, des starken Bauchs des Würdenträgers halber, emporgeschoben und
zwischen der Weste und dem dunkeln Sammetbeinkleide zeigte sich ein breiter, weißer, von der Leib-
wäsche gebildeter Streif.
„Er ist jetzt ja wohl Seine Zweiundsiebzig alt, Pöllnitz", sagte der König, den an einem
Stuhle stehenden, mit goldener Krücke versehenen Stock nehmend. „Wenn Er die neuesten Moden
mitmachen will, wozu Er, als Mewier OlmmdsIIam eine gewissermaßen dienstliche Verpflichtung
Hat, so nehme Er an, daß Ihm sein Alter das Recht giebt, dies euni grano 8uli8 zu thun. Der
Jabot da unter Seiner Weste macht sich ganz gut, sehr würdevoll sogar; aber Er braucht die
Wäsche nicht gar so weit heraushängen zu lassen. Ich will Ihm das ganz gern nachsehen!"
Baron Pöllnitz, auch Karl Ludwig der „Hundert-Einzige" genannt, entdeckte, als er die Spitze
des königlichen Stockes an seiner Weste fühlte, den neumodischen Jabot.
„Sire", rief er, die Weste hinabzerrend, „ich habe ganz unsäglich erbärmlich manquirt...
Ich weiß gar nicht.."
„Nun, nun, beruhige Er sich. Ist Er vielleicht auf der Terrasse gewesen? Vor einer halben
Stunde oder so? Wie es so heftig zu schneien begann?"
„Ja, Sire, zu Befehl!"
„Da Hat Er's sich selbst zuzuschreiben, daß Ihm ein Stück Seines so vortrefflich conditionirten
Gehirns erfroren ist."
-Pöllnitz griff entsetzt an seine Stirn.
„Das Herumtasten kann jetzt nichts mehr helfen! Ich dachte mir's gleich, daß Ihm ein
Malheur passirt sein müsse: weil mich zu viele Leute sehen wollen, Hat Er lieber gar Niemand
angemeldet!"
„Sire, ich wollte nach dem türkischen Botschafter und der Fürst von Looz-Corswaaren
wollte heute Abend für mich den Dienst übernehmen ..."
„Ach, Pöllnitz, Er ist unersetzlich, — das sollte Er doch wissen. Lasse Er den Türken Türke
sein und bringe Er mir meine Quälgeister herein. In einer halben Stunde beginnt das Concert!"
Pöllnitz ging und stellte sich an die weit geösfnete Flügelthür und rief: „Monsieur le Marquis
jd'Argens!"
Herein trat langsam ein hochgewachsener, alter Herr, welcher seine dicke Perrücke der Wärme
wegen zu tragen schien, in pelzverbrämtem Kleide, mit einem gewaltigen Mardermuff vor der
Brust. Der Marquis verbeugte sich vor dem Könige und sah sich um.
„Euer Majestät .. ", antwortete der Lakai achselzuckend, einen forschenden Blick auf das
Gesicht des Königs werfend.
„IM dien?"D
„Es sind vielleicht zu viele Fremde ... So sagt wenigstens der Herr Chambellan... Eine
ganze Assemblee..."
„Wo hast Du den Audienzzettel von Pöllnitz? Der Zettel soll stets hier liegen, — hier!" Und
Friedrich setzte den Finger mit dem funkelnden Solitärring auf die Tischecke. „Wo ist Pöllnitz selbst?"
Ein alter, wenigstens siebzigjähriger Herr in Kammerherrnuniform trat ein. Das breite
Antlitz desselben war tief gerörhet und von Schweißtropfen bedeckt. Der König sah ihn und seine
kunstgerecht angelegten, aber sehr grotesk ausgeführten Verbeugungen aufmerksam an. Die rothe
! goldgestickte Weste hatte sich, des starken Bauchs des Würdenträgers halber, emporgeschoben und
zwischen der Weste und dem dunkeln Sammetbeinkleide zeigte sich ein breiter, weißer, von der Leib-
wäsche gebildeter Streif.
„Er ist jetzt ja wohl Seine Zweiundsiebzig alt, Pöllnitz", sagte der König, den an einem
Stuhle stehenden, mit goldener Krücke versehenen Stock nehmend. „Wenn Er die neuesten Moden
mitmachen will, wozu Er, als Mewier OlmmdsIIam eine gewissermaßen dienstliche Verpflichtung
Hat, so nehme Er an, daß Ihm sein Alter das Recht giebt, dies euni grano 8uli8 zu thun. Der
Jabot da unter Seiner Weste macht sich ganz gut, sehr würdevoll sogar; aber Er braucht die
Wäsche nicht gar so weit heraushängen zu lassen. Ich will Ihm das ganz gern nachsehen!"
Baron Pöllnitz, auch Karl Ludwig der „Hundert-Einzige" genannt, entdeckte, als er die Spitze
des königlichen Stockes an seiner Weste fühlte, den neumodischen Jabot.
„Sire", rief er, die Weste hinabzerrend, „ich habe ganz unsäglich erbärmlich manquirt...
Ich weiß gar nicht.."
„Nun, nun, beruhige Er sich. Ist Er vielleicht auf der Terrasse gewesen? Vor einer halben
Stunde oder so? Wie es so heftig zu schneien begann?"
„Ja, Sire, zu Befehl!"
„Da Hat Er's sich selbst zuzuschreiben, daß Ihm ein Stück Seines so vortrefflich conditionirten
Gehirns erfroren ist."
-Pöllnitz griff entsetzt an seine Stirn.
„Das Herumtasten kann jetzt nichts mehr helfen! Ich dachte mir's gleich, daß Ihm ein
Malheur passirt sein müsse: weil mich zu viele Leute sehen wollen, Hat Er lieber gar Niemand
angemeldet!"
„Sire, ich wollte nach dem türkischen Botschafter und der Fürst von Looz-Corswaaren
wollte heute Abend für mich den Dienst übernehmen ..."
„Ach, Pöllnitz, Er ist unersetzlich, — das sollte Er doch wissen. Lasse Er den Türken Türke
sein und bringe Er mir meine Quälgeister herein. In einer halben Stunde beginnt das Concert!"
Pöllnitz ging und stellte sich an die weit geösfnete Flügelthür und rief: „Monsieur le Marquis
jd'Argens!"
Herein trat langsam ein hochgewachsener, alter Herr, welcher seine dicke Perrücke der Wärme
wegen zu tragen schien, in pelzverbrämtem Kleide, mit einem gewaltigen Mardermuff vor der
Brust. Der Marquis verbeugte sich vor dem Könige und sah sich um.