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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0134
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86 Deutschlands Knnstschätze.
„Mein Gott, wo ist sie denn nur geblieben?"
„Wer denn, lieber d'Argens?" fragte der König.
„Euer Majestät Biche (die Jüngere dieses Namens). Ich habe sie soeben im Schloßgarten
gefangen ..."
Ein Windspiel, sehr naß und frierend, sprang herein und nahm ohne Umstände den königlichen
Lehnstuhl ein. Der König betrachtete das schöne Thier mit großer Aufmerksamkeit. Er schien
ängstlich, wischte es mit seinem Tuche ab uud wies ihm besorgt die Ecke eines Divans an.
„Welche liebenswürdige Extravaganz, d'Argens, daß Sie in diesem Hundewetter, das aber
eben für meine Biche nicht gemacht ist, im Park spazieren gingen! Ohne Sie wäre Biche
vielleicht morgen tobt, oder ihr wäre, wie dem armen Pöllnitz das heute passirt ist, das Gehirn
erfroren ... Pöllnitz soll Ihren Namen nicht an der Thür abrufen — doch thut Er's heute!"
„Sire, der Name hat für mich einen zu lieblichen Klang", murmelte Pöllnitz.
Friedrich lächelte höchst anmuthig.
„Wahrlich, Pöllnitz, da kommt ja ein Lichtstrahl aus längstvergangener Zeit", sagte der
König. „Sein Kops scheint im Aufthauen begriffen."
Lord Mitchel, der englische Gesandte erschien, herzlich vom König begrüßt. Er hatte
schon oft mit dem König conversirt, wenn der Schlachtengott in seiner Nähe freigebig die
Todesloose spendete.
„Wer mag denn noch draußen sein?" fragte der König den Marquis.
„Sire, Baron Pöllnitz hat sämmtliche Wartende, unter denen ich auch Arnim mit einigen
Mitgliedern der Oper bemerkte, kurz entschlossen wegen der Nähe der Concertstunde fortgeschickt."'
Der König sah streng darein, lächelte aber, als Lord Mitchel bemerkte:
„Da hat Pöllnitz donnern lassen über Gerechte und Ungerechte. Es waren die Pfuscher in
seiner Kunst, Lustigmacher, gegen welche Pöllnitz einen solchen Widerwillen hegt, daß er selbst der
Gerechten nicht geschont hat!"
„Mylord, der kleine Prinz von Braunschweig mit dem Chevalier d'Anhalt wird doch noch
draußen sein?" fragte d'Argens halblaut. „Haben Sie im äußern Vorzimmer nicht einen Knaben
in Militairuniform bemerkt?"
„Gewiß, und der kleine Bursche sah sehr tapfer aus!"
„Wo Haben Sie aber den Prinzen?" fragte Friedrich den Marquis. „Hat Pöllnitz dem auch
die Thür gewiesen, so kann sich dieser Tropf gefaßt machen . . ."
,Monsieur le elrevulier ä'^nlluit! Führend Seine fürstliche Gnaden, den Prinzen Maxi-
milian Julius Leopold von Braunschweig-Wolfenbüttel!" kündigte Baron Pöllnitz an.
Der Generalmajor Heinrich Wilhelm von Anhalt, ein natürlicher Sohn des Erbprinzen von
Dessau, trat ein — eine hohe, kriegerische Gestalt in voller Gala, einen etwa elfjährigen Knaben
von überraschender Schönheit einführend, der die Cornetsunisorm des halberstädtifchen Infanterie-
regiments trug.
„Sieh da, sieh da!" rief der König, als der Prinz sich militairisch vor ihm ausstellte und mit
prompter und doch eleganter Bewegung salutirte.
Der König legte yie Hand an den Hut.

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